Ressourcen: Wie viel Erde braucht der Mensch?

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n 18 Jahren benötigt die Menschheit eine zweite Erde, wenn sie weiterhin über ihre Verhältnisse lebt und anderthalb Mal so viele Ressourcen verbraucht wie der blaue Planet im selben Zeitraum bereitstellen kann. 2050 wären es sogar schon drei Erden. Der vom World Wide Fund For Nature (WWF) vorgenommene Gesundheitscheck ist alarmierend und zeigt einen schwer angeschlagenen Patienten, der an der Krankheit Mensch leidet. „Living Planet Report 2012“ ist das Bulletin betitelt, das im Vorfeld des Nachhaltigkeitsgipfels Rio+20 veröffentlicht wurde, um die Dringlichkeit nachhaltigen Handelns zu verdeutlichen.

Die Plünderung der natürlichen Ressourcen setzt sich unvermindert fort, das Wachstum wohlhabender Staaten geschieht auf Kosten der ärmeren – dies sind zwei Kernaussagen des Reports. „Umweltkatastrophen, Lebensraumzerstörung, Artenschwund und Wasserknappheit sind die dramatischen Folgen dieser Entwicklung. Wenn wir jetzt nicht handeln, wird das 21. Jahrhundert zu einem Jahrhundert der Umweltkatastrophen“, warnt der WWF-Deutschlandchef Eberhard Brandes.

Am rücksichtslosesten verhalten sich die USA. Träten alle Länder in deren ökologischen Fußabdruck, bräuchte die Menschheit schon heute vier Planeten. Dagegen würde der indonesische Lebensstil nur 70 Prozent der weltweiten Ressourcen erfordern. Trotz des hierzulande stark gewachsenen und inzwischen sehr ausgeprägten ökologischen Bewusstseins nimmt sich aber auch Deutschland buchstäblich zu viel heraus: Unser Lebensstil beansprucht 2,5 Planeten. Kurzum: Die wohlhabenden Länder konsumieren im Schnitt dreimal so viel wie Länder mit mittlerem Wohlstandsniveau und fünfmal so viel wie Länder mit niedrigem Wohlstandsniveau, so der „Living Planet Report 2012“.

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Die hohen Werte der reicheren Länder beruhen vor allem auf deren höheren CO

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-Emissionen. 20 Prozent der aktuellen CO

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-Emissionen entstünden durch Abholzung und Zustandsverschlechterung von Wäldern, womit Waldverlust nach Kohle und Öl der drittgrößte Treiber des Klimawandels ist. Die positive Nachricht: „Die Investitionen in erneuerbare Energiequellen wie Wind- und Sonnenenergie haben sich seit 2004 weltweit mehr als verfünffacht. Das ist ein Beispiel, auf dem wir aufbauen müssen“, so Brandes.

Die Gründe, warum es mit den Erneuerbaren Energien global nicht so schnell vorangeht wie nötig, sind mannigfaltig. Ausgerechnet in Deutschland, sonst oft als Heimat der Organisationstalente gerühmt, mangelt es an strategischem Weitblick. So hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel kürzlich zum Energiegipfel ins Kanzleramt eingeladen, und alle waren gekommen. Nur der Bundesverband Erneuerbare Energie (BEE). Den hatte man schlicht vergessen einzuladen. Eine Momentaufnahme. Aber eine mit Symbolcharakter. Sie zeigt, zumal der Gipfel keine greifbaren Ergebnisse brachte, dass die vor gut 14 Monaten nach dem Atomunfall im japanischen Fukushima hierzulande ausgerufene Energiewende ins Stocken geraten ist. Und mit ihr Ziele, wie bis 2020 einen Ökostromanteil von 35 Prozent zu erreichen und über energieeffiziente Maßnahmen innerhalb von zehn Jahren 20 Prozent weniger Energie zu verbrauchen.

Der Sand im Nachhaltigkeitsgetriebe hat nichts mit fehlender Innovationskraft zu tun. Know-how und technische Lösungen sind vorhanden. Es fehlt schlicht und ergreifend eine klare Richtlinie, es fehlt ein zu Ende gedachtes Konzept, es fehlt eine Koordinierungsstelle. So sieht das auch ein großer Teil der deutschen Wirtschaft. Er könne kaum „Vorstellungen der Regierung erkennen, wie die Ziele konkret erreicht werden können“, kritisiert der Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK), Hans Heinrich Driftmann. Er fordert, zu einer angemessenen Organisationsform zu kommen, die Ressorts Umwelt und Wirtschaft besser zu koordinieren, beispielsweise über eine Projektgruppe. Ansonsten, so das düstere Szenario, könnten Energieversorgung, Energiesicherheit und Energiepreise schon in absehbarer Zeit aus dem Ruder laufen.

Warnung vor Stromengpässen

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Und auch die Bundesnetzagentur warnt vor möglichen Stromengpässen durch Verzögerungen beim Infrastrukturausbau und untermauert das mit Zahlen: Von 1834 als vordringlich eingestuften Stromleitungen-Kilometern seien bisher lediglich 214 Kilometer gebaut und davon wiederum weniger als 100 Kilometer in Betrieb genommen worden. Der Netzausbau ist eine der zentralen Herausforderungen der Energiewende. Um etwa in Windparks gewonnenen Strom von den Küsten in die Industriezentren im ganzen Bundesgebiet zu leiten, bedarf es neuer Leitungssysteme, da die alten Netze den technischen Anforderungen größtenteils nicht genügen.

Netzagentur-Präsident Jochen Homann sieht die Ursache für den schleppenden Ausbau in der Art der Planungen. Die Leitungen seien „vielfach Teil von längeren Vorhaben, die über Grenzen zwischen Bundesländern hinweg gehen und erst dann Strom transportieren können, wenn auch die davor oder dahinter liegenden Abschnitte errichtet sind“. Bei den restlichen Vorhaben hätten die Fahrpläne „teilweise erneut um ein oder gar zwei Jahre nach hinten korrigiert“ werden müssen. Interessierte können sich unterdessen ab sofort auf der Internetseite der Bundesnetzagentur über den aktuellen Stand beim Ausbau der Stromnetze informieren.