Stiftung für traumatisierte Kinder: Peterchens Irrfahrt

"Haben gestern Can Sureda besucht und sind erschüttert", schrieb Matthias Krienke auf Facebook. "Keine Tiere, außer Wein fast keine Pflanzen, im Hofladen außer Wein und Quarkkuchen fast nur Fremdprodukte. Kein Ziegenkäse, kein Brot, keine Zitronen und was es da alles gab. Dafür jetzt 08/15-Touribeköstigung und Speisekarten wie am Ballermann. Was ist denn bitte hier los? Haben wir uns dafür den Arsch aufgerissen und gespendet und gearbeitet? Oder wird hier vielleicht ein Familienkrieg ausgetragen? Ich kann gar nicht so viel fressen, wie ich kotzen will."

Maffays Stiftung hat Kindern unvergessliche Momente beschert.

Kindern, die Krebs haben, behindert sind oder ohne Eltern aufwuchsen. Manche hatten Tränen in den Augen vor Glück. Die Sonne Mallorcas und die Chance, womöglich Maffay selbst zu Gesicht zu bekommen, ließen sie ihren Alltag für zehn Tage vergessen.

Ging es ums Finanzielle, waren die Aussichten bisweilen trüber. Mitunter waren Gruppen enttäuscht, wenn sie vor Reiseantritt in einem sogenannten Willkommensbrief erfuhren, dass die Einladung nach Mallorca weniger großzügig war, als von ihnen zunächst angenommen.

Es gab ein Begrüßungsessen, der Kühlschrank war für ein bis zwei Tage gefüllt. Weitere Lebensmittel mussten die Gruppen selbst kaufen, im fünf Kilometer entfernten Supermarkt oder in Maffays Bioladen. Hinzu kam ein täglicher Beitrag von drei Euro pro Gast für Wasser und Strom, es sei denn, die Gruppen hatten einen Sponsor. Plus 300 Euro Nutzungsgebühr für einen VW-Bus, was auch deshalb für Befremden sorgte, weil das Auto eine Spende von Volkswagen war.

Der Therapieanteil auf der "therapeutischen Finca Can Llompart" war überschaubar. Der anfangs angekündigte Musikunterricht in Maffays Tonstudio soll praktisch nie stattgefunden haben, ebenso wenig gemeinsame CD-Aufnahmen mit Kindern. Unter den Mitarbeitern gab es nur eine Fachkraft, die auf den Umgang mit traumatisierten Kindern spezialisiert war. Freunde sagen, die Sozialpsychologin sei unzufrieden gewesen mit den Zuständen vor Ort, Anfang des Jahres wurde ihr angeblich gekündigt.

Und es gab Miguel Alemany, seit den frühen Neunzigerjahren Verwalter der Finca Can Sureda. Gruppen beschwerten sich über seine cholerische Art oder seinen Alkoholkonsum, auch vor einem süchtigen Jugendlichen. Lange Zeit war Alemany die zentrale Figur auf der Finca. Viele, die ihn kennenlernten, sagen: Er war das zentrale Problem. Doch Maffay vertraute ihm. Er sah in ihm augenscheinlich eine Art mallorquinischen Bruder.

Alemany schaut ein bisschen aus wie Maffay

, klein, drahtig, herbes Gesicht. Und er kann ihn gut imitieren, mit Knarzstimme und rollendem "r" und der Maffay-Floskel: "Hallo, Freunde!" Doch irgendwann merkte offenbar selbst Maffay, mit wem er sich verbündet hatte.

Im Umfeld von Prominenten sind solche Menschen häufig anzutreffen. Zunächst sind sie dem Star zu Diensten, man kommt sich näher, im besten Fall geben sie ihm das Gefühl, nicht wegen seiner Prominenz gemocht zu werden, sondern als Mensch. In Wahrheit nutzen sie seinen Status und leben gut davon. Irgendwann kippt das Verhältnis. Aus Freunden werden Gegner.

Unter Alemanys Verwaltung sollen auf der Finca Waren und Geld verschwunden sein. Alemany, so warf es ihm jedenfalls Maffays Umfeld vor, soll Traktoren und Arbeitskräfte verliehen und dafür Geld kassiert haben. Maffays Feuerholz, Tierfutter und Diesel soll er zu seinem eigenen Gunsten verkauft haben.

2014 musste Alemany gehen, mit einer ordentlichen Abfindung. Heute betreibt er auf Mallorca eine Tapasbar mit Meerblick. Die Vorwürfe gegen ihn bestreitet er. Vielmehr sei er von sich aus gegangen.

Das Geschäft auf Can Sureda lief nicht sonderlich gut, wohl auch aufgrund der chaotischen Verhältnisse vor Ort. Zuletzt wurden kaum noch Eigenprodukte angeboten. Dabei war es Maffays Ziel gewesen, dass der Biohof "eines Tages so viel Geld abwirft, dass sich davon meine Stiftung trägt".

Eigentlich ist Maffays Geschichte die eines beständigen Aufstiegs. Er war 1963 mit seinen Eltern aus Rumänien geflüchtet und hatte in Deutschland rasch Karriere als Schnulzensänger ("Du") gemacht. Später zog er sich eine Lederjacke an und wurde zum Deutschrock-Idol. Mit der Stiftung wolle er der Gesellschaft etwas zurückgeben, sagte er immer. Und das war durchaus glaubwürdig. Zu seinen Vorbildern zählt Joan Baez, die sich gegen den Vietnamkrieg engagierte. Und Harry Belafonte, der an der Seite von Martin Luther King kämpfte.

Maffay hilft gern. Hat aber auch nichts dagegen, wenn andere es mitbekommen. Eine Zeit lang hatte er einen Berater, der ihn mit anderen guten Menschen zusammenbrachte, mit dem Dalai Lama und dem Papst. Und Claudia Roth.

Verwunderlich, dass ihm sein Engagement auf Mallorca entglitt.

Denn Maffay hat den Ruf, ein Kontrollfreak zu sein. Von Tutzing aus wies er schon mal an, auf der Finca Glühbirnen gegen Energiesparlampen auszutauschen oder Blumen zu gießen. Auch die Gehaltserhöhung einer Putzfrau ging über seinen Tisch. Vielleicht hat er sich verzettelt, in der Rolle des guten Menschen von Tutzing.

Die Maffay-Stiftung ist auch in seiner alten Heimat Rumänien tätig und in Rio de Janeiro. Gerade entsteht im bayerischen Dietlhofen ein neues großes Ferienheim für Kinder, wieder mit Biohof. Darüber hinaus ist Maffay: Schirmherr der Tabaluga-Kinderstiftung; Botschafter der José Carreras Leukämie-Stiftung; Kinderpate von World Vision Deutschland; Unterstützer der Amadeu Antonio Stiftung; Botschafter für Demokratie und Toleranz; Botschafter der Uno-Dekade Biologische Vielfalt; Pate für ein Projekt der Nürnberger Wilhelm-Löhe-Schule. Da kann man schon mal den Überblick verlieren.

Manches drang womöglich auch nicht an ihn heran, sondern wurde abgefangen von seinem Manager Dieter Viering. Oder von Albert Luppart, dem wichtigsten Mann in Maffays Imperium.

Luppart war einst Maffays Bankberater. Seit mehr als 20 Jahren verwaltet er sein Vermögen, er kümmert sich um die Geschäfte des Büros Maffay, der Peter-Maffay-Stiftung und des Vereins Horizon, von Maffay einst gegründet zugunsten von Kindern, die durch den Reaktorunfall von Tschernobyl erkrankt waren. Weitere Stiftungen, denen Luppart vorsteht, sind die des Sängers Rea Garvey, des Medienunternehmers Thomas Haffa (beide unter derselben Postanschrift wie die Maffay-Stiftung) sowie die der Klassikstars Anna Netrebko und Erwin Schrott.

Luppart, intern "der Erbsenzähler" genannt, hat Maffays Reich als kompliziertes Konstrukt errichtet. Es ist von außen schwer durchschaubar und für Mitarbeiter nicht viel leichter.

So bewohnt Maffays Manager in Tutzing ein Haus, das ein Geschenk an die Stiftung war - ob und, wenn ja, wie viel Miete er dafür entrichtet, wollte er auf Anfrage nicht beantworten. Ein Umstand, der selbst intern irritiert. Wie auch die Frage, wo die Trennung zwischen Kommerz und Sozialem verlaufe, zwischen Maffay und Stiftung. Aus seinem Umfeld heißt es, man habe "Probleme, den Geldfluss auseinanderzuhalten".

Auch mit Bargeld wurde mitunter freihändig hantiert,

etwa beim Soundcheck vor dem Konzert. Dem können ausgewählte Maffay-Fans beiwohnen, gegen eine "freiwillige" Spende von 10 oder 20 Euro für die Stiftung. So kamen jeweils mehrere Hundert Euro zusammen.

Mit Geld aus dieser Spendenkasse, so erinnert sich der einstige Fanklub-Beauftragte Krienke, wurde er auch schon mal losgeschickt, Maffays Wagen aufzutanken.

Maffay konnte auf seine Spender zählen. VW gab zum Start auf Mallorca eine Million Euro und später auch mal wieder ein Auto. Der Teddyhersteller Steiff spendet von jeder verkauften 55-Zentimeter-Plüschausgabe des Maffay-Maskottchens Tabaluga fünf Euro. Das Möbelhaus XXXL Lutz spendierte Küchen. TUI zahlte für Kindergruppen eine Zeit lang Flüge nach Mallorca, etwa im Wert von 40.000 Euro pro Jahr. Von Edeka bis Media Saturn, von Faber Castell bis Montblanc - keiner wollte fehlen. Erfolgreich war Maffay bisweilen auch im Vergraulen von Förderern.

Radio 7 gehörte zu seinen treuesten Spendern. Seit 2005 gab der Ulmer Privatsender rund 100.000 Euro im Jahr, bisweilen mehr. Die Summe kam zusammen durch Telefonaktionen und eine jährliche Charity Night. Im Gegenzug wurden Kindergruppen aus dem Sendegebiet nach Mallorca eingeladen. Dafür hatte Radio 7 eigens einen Verein gegründet, das hatte man sich gemeinsam mit Maffays Manager ausgedacht. Ein Name war schnell gefunden: Drachenkinder, angelehnt an Maffays Märchenfigur Tabaluga.

Als Radio 7 dafür jedoch ein eigenes Maskottchen schuf, den ähnlich knuffigen, ebenfalls grünen Drachen Draki, rief dies Ärger auf der Maffay-Seite hervor. Um den Streit nicht eskalieren zu lassen, versenkte Radio 7 das Wesen wieder - und benutzt für die Drachenkinder seither einen gelben Flugdrachen als Symbol.

Als Volker Schwarzenberg 2015 neuer Geschäftsführer des Senders wurde, beschloss er, den Benefizeinsatz neu aufzustellen. "Im Zuge dessen baten wir die Maffay-Stiftung um eine detaillierte Aufstellung über die Verwendung unserer Gelder", sagt Schwarzenberg. "Diese Information erhielten wir weder zeitlich noch inhaltlich gemäß unseren Anforderungen." Schwarzenberg fühlte sich in seiner Entscheidung bestärkt, die Zusammenarbeit zu beenden.

Wie sehr es auch im Innern von Maffays Reich

rumoren muss, lässt sich an den Abgängen der jüngsten Zeit ablesen. Vergangenes Jahr trennte Maffay sich nach 13 Jahren von seiner Assistentin. "Wie einen nassen Lumpen" habe er sie fallen lassen, sagen ehemalige Geschäftspartner. Auch Maffays langjähriger Presseagent ist nicht mehr da. So wie der Mitarbeiter, der den Facebook-Auftritt pflegte. Zwischen Maffay und dem Ehepaar, das seine mallorquinischen Waren nach Deutschland vertreibt, soll es ebenfalls Irritationen geben.

"Ich wollte nie erwachsen sein", heißt Maffays bekanntestes Lied aus der Tabaluga-Reihe. Und vermutlich besteht genau darin seine Tragik. Maffay ist ein Menschenfänger, er tut Gutes - und steht sich dabei doch selbst im Weg. Auch weil er etwas Egomanisches hat. Und schnell das Interesse verliert, beleidigt ist, fast wie ein Kind.

Er kann auch schlecht Nein sagen. Als seine Frau nach zwölf Ehejahren noch kirchlich heiraten wollte, tat er ihr, obwohl er seine Neue da schon kannte, 2015 den Gefallen - um sich wenige Monate später von ihr zu trennen.

Nun steht die Scheidung an. Ein Vorgang, in dem Maffay eine gewisse Routine entwickelt hat. Zwei seiner Exfrauen wohnen in der Nähe seiner Finca. Witwen-Hügel wird der Ort spöttisch genannt.

Fragen des SPIEGEL zu seiner Stiftung und dem Engagement auf Mallorca ließ Maffay unbeantwortet. Sein Anwalt teilte mit, man habe von zahlreichen Seiten gehört, "dass Sie dort recherchieren und Fragen stellen. In diesen Fragen sind Behauptungen enthalten, die jeglicher Grundlage entbehren" - und drohte mit Klage.

Tania Makkay (so Maffays bürgerlicher Nachname) lebt noch immer auf Can Sureda, mit Sohn Yaris, 13. Geht es nach Maffay, womöglich nicht mehr lange. Can Llompart wie auch Can Sureda stehen zum Verkauf, ein Immobilienmakler ist seit ein paar Wochen damit beauftragt.

Dabei gilt es noch zwei Probleme zu beheben. Erstens: Maffay muss auch eine neue Heimat für seine tote Mutter finden, deren Urne er in seiner Privatkapelle auf Can Sureda deponiert hat.

Und: Anscheinend sind nicht alle Gebäude auf den Fincas ordnungsgemäß eingetragen. Mögliche Interessenten bekommen vom Makler den Hinweis, dass es noch eine Weile dauern könne, bis auch baurechtlich alles in Ordnung sei.