Was gegen Larven, Maden, Motten im Essen wirklich hilft

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s ist fast jedem schon einmal passiert: Da öffnet man arglos eine Schachtel Pralinen – und sieht die fetten weißen Larven, die langsam über die schöne Schokolade kriechen. Bis zu diesem Moment beschäftigt man sich eher nicht mit der Frage, wer dafür zuständig ist, uns kriechendes Ungeheuer in Nahrungsmitteln vom Hals zu halten.

Tatsächlich ist es eine Wissenschaft, Vorräte so zu schützen, dass Schädlinge möglichst keine Chance haben. In Deutschland werden jährlich gut 45 Millionen Tonnen Getreide geerntet, 2014 waren es sogar mehr als 52 Millionen Tonnen. In großen Silos und Lagerhallen wird es aufbewahrt, bevor es dann verfüttert, exportiert oder zur Weiterverarbeitung an Mühlen, Brauereien oder andere Lebensmittelhersteller verteilt wird.

Dort würden gern auch andere Lebewesen von der Nahrung profitieren. Solche Schädlinge, das können kleine Tiere oder Mikroorganismen sein, befallen und zerstören die geernteten Pflanzenprodukte. Damit der Mensch nicht mit Sechsbeinern teilen muss, erforschen Wissenschaftler des Julius Kühn-Instituts (JKI) in Berlin die vielen Facetten des sogenannten Vorratsschutzes.

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Sie nehmen dabei vor allem das Getreide ins Visier. Denn dort, sagt Cornel Adler, gibt es eine große Vielzahl vorratsschädlicher Insekten, etwa den Kornkäfer, den Reiskäfer oder aber auch die Larven der Dörrobstmotte. Für den Kreislauf der Natur sei es natürlich sinnvoll, dass prinzipiell jedes trockene Pflanzenerzeugnis von bestimmten Insekten abgebaut werden können.

In Lagerungstechniken wurde nicht investiert

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Nur im eigenen Müsli zu Hause würde man das natürlich gerne abschalten können. Anfangen damit muss man in den Lagerhallen und Silos – im Mähdrescher haben die Schädlinge noch keine Überlebenschance. Das Problem ist dann nicht nur der Hunger der kleinen Tiere: Durch ihre Atmungs- und Fraßprozesse wird das gelagerte Getreide auch warm und feucht.

Ein Paradies für das Schimmelpilzwachstum also. Und einige der auf dem Getreide wachsenden Pilzformen können für den Menschen schädliche Gifte, genannt Mykotoxine, erzeugen. Beim Transport kann dann durch Vermischung eine winzige Menge Mykotoxin-infizierter Getreidekörner große Teile des gelagerten Getreides untauglich machen. Weniger als ein Milligramm des Giftes reicht aus, um ein ganzes Kilogramm zu kontaminieren.

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Quelle: N24

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Wenn die Tiere erst im Silo einwandern, warum baut man diese dann nicht einfach so, dass keine Schädlinge eindringen können? Das Problem ist der geringe Handelswert des Getreides in den letzten 50 Jahren. Da es sich nicht sonderlich rentierte, wurde nicht in gute Lagerungstechniken investiert. In den Räumen gibt es also viele Ritzen und Fugen, in denen sich Getreidereste ansammeln.

Dort fühlen sich die Insekten wohl. „Werden diese Getreidereste nicht herausgesaugt, wirkt eine Ritze oder Fuge wie ein Mini-Komposthaufen“, sagt Adler. „Über die Jahre sammelt sich das Getreide an. Die Insekten haben dort dann die Möglichkeit von einer Ernte zur nächsten überzuwandern.“

Das heißt: Schon frisches Getreide vom Feld kann auch ohne Insektenzuflug im Lager befallen werden. Deshalb sei es wichtig ein Vorratslager vor einer Neueinlagerung vollständig leerzuräumen und gründlich zu reinigen, sagt Adler.

Drei verschiedene Methoden stehen zur Verfügung

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Der Großteil des Getreides wird in Silos und Lagerhallen untergebracht, die eher zugig gebaut sind – so kann Wärme und Feuchtigkeit aus dem Getreide abgeführt werden. Doch durch die Mauerwerksritzen und Öffnungen zwischen Wand und Dach oder Lücken in Toren und Türen verlassen durch die Abluft auch Duftstoffe das Lager, an denen sich die Schadinsekten orientieren.

Das Problem dabei: Die Insekten, die so in das Lager gelangen, legen ihre Eier nah beieinander ab. „Es entsteht nach und nach sozusagen ein kleiner Zoo“, sagt Adler. Die Temperatur und Feuchtigkeit in der näheren Umgebung steigen durch die Atmungsprozesse stetig an und beschleunigen die Prozesse des mikrobiellen Wachstums und der Insektenvermehrung.

So lagern Sie frisches Brot richtig

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Brot nach dem Backen gut und rasch abkühlen lassen, und zwar in einem warmen Raum. Erst nach vollständigem Auskühlen einwickeln, dann kühl und trocken lagern, am besten bei 10 bis

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15 Grad und nicht über 60 Prozent Luftfeuchtigkeit.

Was gegen Larven, Maden, Motten im Essen wirklich hilft

Quelle: picture alliance / ZB

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Wer sein Brot einfriert, sollte spezielle Gefrierbeutel nehmen und die Luft auspressen. In Scheiben geschnittenes Brot schimmelt schneller, deshalb ist es ratsam, es einzufrieren.

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Getoastet schmeckt es herrlich frisch und knusprig. Ganze gefrorene Brote kann man ein halbe Stunde antauen lassen und noch mal bei 200 Grad für zehn Minuten in den Backofen geben.

Quelle: picture-alliance / dpa / Stockfo

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Brotkästen aus Email, Holz oder Keramik sollten stets sauber und trocken gehalten werden. Es empfiehlt sich, sie regelmäßig mit heißem Essigwasser auszuwaschen. Früher hat man das

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Brot auf Holzgestellen mit Lattenböden gelagert, damit der Luftzug durchstreichen konnte. Die Brote durften nicht direkt aneinander oder übereinander liegen.

Quelle: picture alliance / Horst Ossinge

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Schimmelsporen gelangen nur von außen ins Brot und benötigen zur Bildung Feuchtigkeit. Deshalb sollte Brot immer gut durchgebacken sein.

Quelle: picture alliance / WILDLIFE

Eigentlich wäre ideal, das Getreide auf einen Wassergehalt von unter neun Prozent herunter zu trocknen. Denn dann wird das Korn so hart, dass es Tiere nicht anfressen können. Sehr trockenes Korn wird jedoch auch schnell brüchig. Da das Getreide außerdem nach Gewicht verkauft wird, bevorzugen die meisten Lagerhalter einen nach EU-Standard zulässigen Wassergehalt von bis zu 14,5 Prozent.

Es müssen also andere Methoden her. Die Wissenschaftler testen zum einen sogenannte physikalische Methoden – Kälte- oder Hitzebehandlungen, aber auch das von Getreide oder Mehl gehören dazu. Zum anderen werden biotechnische Methoden entwickelt, etwa mit Kieselgur, einem Pulver aus fossilen Kieselalgen. Es entzieht dem Insekt Wasser und trocknet es aus, sobald es mit der Wachsschicht des Insektenkörpers in Kontakt kommt.

Neben der physikalischen und biotechnischen Bekämpfung gibt es aber auch die biologische. Den meisten bekannt ist die Katze, die auf Mäusejagd geschickt wird. Im Vorratsschutz sind Nützlinge andere kleine Insekten, die dem Vorrat nicht schaden, sondern die Eier oder Larven der Schädlinge angreifen.

Schlupfwespe findet jeden Vorratsschädling

Die Schlupfwespe ist ein Beispiel dafür. Sie findet jeden Vorratsschädling aufgrund ihres guten Geruchsinns. „Bei der biologischen Bekämpfung wird ganz auf chemische Mittel verzichtet. Dadurch werden die Endverbraucher aber auch die Lagerarbeiter vor Giftstoffen geschützt“, sagt Sabine Prozell, Leiterin der Berliner Firma „Biologische Beratung LTD”.

Häufig würden nämlich Vernebelungsmittel, also giftige Gase eingesetzt, welche aber die Schädlinge zum Beispiel in tieferen Getreideschichten gar nicht erreichen. Die Nützlinge könnten hingegen zwischen Millionen gesunden Getreidekörnern und in allen Ecken und Winkeln des Lagers die Schädlinge finden. „Sie folgen wie bei einer Schnitzeljagd der Duftspur“, sagt Prozell.

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Trotz dieser großformatigen Schädlingsbekämpfung in den Lagerstätten und Mühlen kommt es aber manchmal doch dazu, dass im Haushalt das Müsli krabbelt oder die Schokolade kriecht. In den meisten Fällen waren die Tiere dann aber nicht schon im Lager dort, sondern gelangen später durch kleine Schäden in der Verpackung an das Produkt.

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Jeder Deutsche wirft rund 82 Kilo Lebensmittel pro Jahr weg. Oft nur deshalb, weil das Mindesthaltbarkeitsdatum abgelaufen ist. Die EU will nun die Kennzeichnungspflicht für einige Produkte abschaffen.

Quelle: N24

Bei Siebversuchen fanden die Forscher des JKI, dass Poren in Lebensmittelverpackungen nicht größer als 0,1 Millimeter sein dürfen, damit auch die winzigen Eilarven von Motten nicht an ein Produkt gelangen. Der Trick der Insektenmütter ist nämlich folgender: Ist die Pore in der Verpackung groß genug, werden die Eier direkt durch das Loch hindurchgelegt. Ansonsten wird das Ei einfach neben der Pore abgelegt, denn die Larve kann dann dem Geruch folgen und durch das Loch zum Futter gelangen.

Bei Faltschachteln für Tierfutter oder Semmelbrösel mit einer Perforationsnaht legen die Tiere ihre Eier direkt auf der Naht ab. Auch undichte Schokoladenverpackungen werden meist erst im Handel oder beim Endkunden befallen.

„Während der heißen, flüssigen Schokoladenverarbeitung ist ein Befall nicht möglich“, sagt Cornel Adler. Auch lagern viele Schokoladenhersteller ihre Produkte vor der Lieferung 30 Tage lang bei zehn Grad, eine Temperatur, bei der die kleinen Eilarven nach dem Schlüpfen nicht überleben.

Zucker, Salz und Kaffee werden nicht befallen

Aber was tut man nun zu Hause, wenn sich der Inhalt der Pralinenschachtel bewegt? Im Handel gibt es zwar Pheromonfallen für Lebensmittelmotten, diese dienen jedoch nur der Früherkennung. Der Duft lockt nämlich nur die Männchen durch weibliche Duftstoffe an, und auch von ihnen nur jedes zweite oder dritte, weil die Falle nur eine von mehreren Duftstoffkomponenten enthält.

Auf jeden Fall sollte man versponnene Lebensmittelverpackungen sofort wegwerfen. Außerdem müssen die Mottenlarven gefunden werden, die sich meist in den Zimmerecken verpuppen. „Man muss trotzdem nicht alle Lebensmittel wegschmeißen“, sagt Adler. „Zeigt eine Verpackung keine äußerlichen Spuren, ist sie wahrscheinlich nicht befallen“.

Trockenprodukte könne man einen Tag einfrieren, das genügt, um die Eier abzutöten. Und um Zucker, Salz, geräucherte Lebensmittel und Kaffee muss man sich keine Sorgen machen – diese werden nicht befallen. Traut man den einfachen DIY-Methoden nicht, so kann man sich an die Beratungsstelle von Sabine Prozell wenden.

Die Nützlinge, die die „Biologische Beratung LTD” züchtet, können auch im Haushalt eingesetzt werden. Bei einem Befall durch die Dörrobstmotte etwa schickt Sabine Prozell dann Schlupfwespen, nur winzige 0,3 Millimeter sind sie groß. „Macht man mit einem Kugelschreiber einen Punkt, dann ist die Wespe kleiner als dieser Punkt“, erklärt Prozell. Das Wespenweibchen legt ihre Eier in die Eier der Schädlinge, und so können keine Schädlingslarven mehr schlüpfen.

Spätestens nach neun Wochen ist auch die größte Plage dann vollkommen beseitigt. Man könne sogar trotz der Wespen seine Wohnung normal weiternutzen, sagt Prozell. „Die Wespe ist so klein, dass selbst wenn sie über unsere Haut läuft, unsere Sinneszellen sie gar nicht bemerken würden.“ Für uns also ein fast unsichtbarer Helfer, der langfristig wieder ungetrübte Schokoladenfreude ermöglicht.