„Wenn der Wald weg ist, wird es kritisch“ – Ein Forstwirt aus Schonach erzählt, warum das Idyll Schwarzwald gefährdet ist und was der Klimawandel damit zu tun hat

Herr Bolkart, Sie bewirtschaften einen Bio-Bauernhof bei Schonach im Schwarzwald. Wie unterscheidet sich Ihre Arbeit von einem Betrieb irgendwo im Tal?

Hier oben muss man noch viel mehr mit den bloßen Händen arbeiten als in anderen Lagen im Flachland. Wenn wir Maschinen in den Hanglagen einsetzen, dann sind sie viel kleiner als im Tal, und das macht die Bewirtschaftung der Flächen vergleichsweise zeitaufwändig. Meine Flächen erstrecken sich über 80 Hektar und über eine Höhendifferenz von gut 300 Metern. Besonders in den von uns genutzten Wäldern ist es oft herzhaft steil. Die körperliche Arbeit steht also stärker im Vordergrund als anderswo.

Wie verdienen Sie ihr Geld?

Wir haben 10 Mutterkühe mit Kälbern für die Rindfleischerzeugung. Dazu pflanzen wir Bio-Christbäume. Das Hauptstandbein ist die Waldwirtschaft. Das Gelände ist so steil, dass man mit vollautomatisierten Erntemaschinen fast nichts machen kann. Mein Sohn und ich gehen daher mit Kettensäge, Traktor und Seilwinde ins Holz und lagern die Stämme dann an gut befahrbaren Wegen. Nach so einem Tag geht man abends dann gerne ins Bett.

Im Hochwinter wird es gefährlich rutschig auf den Waldhängen im Schwarzwald: Dann besser Büroarbeit, meint Bolkart.| Bild: Bolkhart

Geht das auch im Winter noch?

Wenn es zu kalt wird, also mehrere Tage unter Null Grad, hören wir auf. Dann wird es gefährlich. Das Holz splittert, Keile halten nicht mehr und auf den steilen Waldhängen wird es rutschig. Früher bin ich auch noch an tiefverschneiten Tagen rausgegangen. Heute finde ich Arbeit im Büro.

Ist es da von Vorteil, dass durch den Klimawandel die kalten Tage rar geworden sind?

Die Zeiten, in denen der Schnee Ende November kam und bis Ende März liegen blieb sind definitiv vorbei. Zwei Wochen geschlossene Schneedecke auf knapp unter Tausend Meter Meereshöhe sind schon eine Ausnahme. Oft bleibt der Schnee nur Tage liegen.

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Was macht das neue Klima mit dem Wald?

Besonders betroffen sind die Betriebe in exponierten Lagen, etwa im Südschwarzwald. Hier gibt es Probleme mit Trockenheit im Sommer und in der Folge mit Käferbefall, weil die Bäume nach mehreren Jahren mit zu wenig Wasser stark geschwächt sind. Dazu kommen Unwetter, die den Waldbestand schädigen. Als Folge Pflanzen wir Land- und Forstwirte im Schwarzwald mehr Mischwald an. Fichten werden durch Weißtannen, Buchen, Eschen oder Ahorn ersetzt. Nicht alles funktioniert. Buchen und Eschen beispielsweise leiden stark. In meinem Wald setzte ich große Hoffnung auf Douglasien, die sich recht widerstandsfähig zeigen.

Lücke im Wald, die der Jahrhundertsturm Lothar 1999 gerissen hat. Kahle Flächen brauchen oft Jahre, um wieder zuzuwachsen. Oft tun sie das sogar gar nicht mehr.| Bild: Bolkhart

Wird der Schwarzwald in 2,3 Generationen noch das sein, was er ist – eine große fast zusammenhängende Waldfläche?

Ein riesiges Problem ist es, die immer öfter durch Stürme, Trockenheit oder Käferbefall entstehenden Kahlflächen wieder aufzuforsten. Die Bäume dazu zu bringen, wieder anzuwachsen und groß zu werden ist zu einer Haupt-Herausforderung für die Forstwirtschaft geworden. Wenn der Wald mal weg ist, wird es kritisch. Sollten wir bei dieser Aufgabe scheitern, wird sich das Mikroklima, aber auch der Wasserhaushalt stark verändern.

Rentiert sich die Waldwirtschaft noch?

Ja, das tut, sie, aber die Phasen, in denen es knapp ausgeht, werden länger. Seit drei Jahren liegen die Holzpreise am Boden. Ich habe meine Bäume daher stehen gelassen und warte bis die Preise besser werden. Aber in dieser Zeit, muss ich eben mit stark sinkenden Einnahmen leben.

Seit fast 25 Jahren im Schwarzwald: Bernhard Bolkart: Die Viehzucht ist stilprägend für den Schwarzwald. Aber wie lange noch?| Bild: Bolkhart

Ein anderer Teil ihres Hofes sind die Mutterkühe. Wie geht es da?

Auf unserem Grünland sind die klimatisch bedingten Einschränkungen noch größer als im Wald. In den zunehmend trockener werdenden Sommern fällt es vielen Bauern immer schwerer, genügend Futter für die eigenen Tiere anzubauen. Teilweise wird Heu über lange Strecken zu den Höfen transportiert. Futter zuzukaufen, reißt große Löcher in unsere Bilanzen. Insbesondere Bioerzeuger leiden darunter, da Heu und Silage als Tiernahrung im Biobereich noch teurer sind.

Bernhard Bolkart

Bernhard Bolkart, 1962 in Donaueschingen geboren, bewirtschaftet seit fast einem Vierteljahrhundert mit seiner Familie den 80 Hektar großen Kolbenhof in Schonach im Schwarzwald. Der gelernte Landwirt und Groß- und Außenhandelskaufmann, hat drei Kinder und ist seit 2015 Vizepräsident des Badischer Landwirtschaftlichen Hauptverbands (BLHV). (wro)

Die Kuh auf der Weide ist nicht nur stilprägend fürs Allgäu, sondern auch für den Schwarzwald. Wird sie langfristig verschwinden?

Viele Gründe führen dazu, dass die Viehhaltung in Hochlagen unter Druck ist. Der Klimawandel beschleunigt den Prozess aber noch einmal deutlich, weil die Kosten ansteigen und finanziellen Spielräume der Landwirte sinken. Die Höfe im Schwarzwald haben auch nur beschränkte Möglichkeiten, auf andere Ertragsbringer umzusatteln. In den letzten Jahren haben viele Bauern im Flachland, etwa entlang des Rheins, auch Obst- und Gemüseanbau umgeschwenkt. Das können wir hier oben nicht. Übrigens finden wir die größte Artenvielfalt im Schwarzwald auf extensiv genutzten Weideflächen. Wenn solche Flächen verbuschen, weil keine Tiere mehr darauf gehalten werden, sinkt der ökologische Wert. Und für die Touristen schwindet ein prägendes Merkmal einer beliebten Ferienregion.

Macht die Arbeit eines Bauern noch Spaß?

Im Schwarzwald geht alles noch etwas ruhiger von Statten als anderswo. Das hängt damit zusammen, dass man einfach voll in der Natur arbeitet. Ich helfe manchmal auf dem Hof meines Bruders nahe Donaueschingen aus. Das ist schon etwas anders. Da ist mehr Verkehr, mehr Stress, mehr Hektik.

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Was sind die Vorteile des Bauerseins?

Das nimmt jeder vielleicht unterschiedlich wahr. Für mich zeichnet sich mein Beruf immer noch durch eine große Autonomie aus. Man ist noch sein eigener Herr. Zugleich kann man sich die Arbeit so legen, dass man viel mit der Familie zusammen ist, was in vielen anderen Berufen fast gar nicht möglich ist. Und man ist draußen in der Natur. Es sind also die weichen Faktoren, die fürs Bauersein sprechen. Wobei klar ist, dass es immer schwerer wird, einen Hof wirtschaftlich erfolgreich zu führen.

Bernhard Bolkart bei der Waldarbeit im verschneiten Schwarzwald.| Bild: Bolkhart

Was ist das Hauptproblem?

Im Agrarmarkt sind die Kräfte sehr unterschiedlich verteilt. National betrachten stehen Hunderttausende Erzeuger, einer sehr mächtigen verarbeitenden Lebensmittelindustrie gegenüber, die ihre Produkte an nicht mal eine Handvoll große Discounter und Lebensmitteleinzelhändler verkauft. In dieser Kette stehen die Bauern ganz hinten und kriegen immer nur die Krümel des Kuchens ab, der davor verteilt wurde. International konkurrieren wir mit Betrieben, die ganz andere Voraussetzungen zur Lebensmittelerzeugung haben. In Ländern wie Brasilien oder den USA sind die Höfe riesig und können ganz anders bewirtschaftet werden. Die Erzeuger dort unterliegen weder der Düngeverordnung noch Einschränkungen beim Einsatz von Pestiziden. Ich will das nicht gutheißen, aber solche Betriebe können Fleisch oder Lebensmittel natürlich zu ganz anderen Preisen anbieten als kleine Erzeuger im Südwesten.

Wie können sich die Bauern aus der Zwickmühle befreien?

Alleine können Sie das nicht, dazu braucht es die Verbraucher und die Politik. Die Verbraucher müssen die Leistungen der Bauern stärker anerkennen, und das heißt auch für gut erzeugte Produkte höhere Preise bezahlen. Und die Politik muss endlich Standards definieren, zu denen Waren in Deutschland angeboten werden dürfen.

Wie soll das funktionieren?

Stellen sie sich doch einfach einmal die Frage, ob es gerecht ist, dass in unseren Supermärkten Kirschen aus der Türkei liegen, die mit Spritzmitteln behandelt sind, die billig und wirksam, aber bei uns seit 30 Jahren verboten sind. Ein heimischer Erzeuger muss wenn überhaupt auf teurere Produkte zurückgreifen, was dazu führt, dass er weniger konkurrenzfähig ist. Ähnlich verhält es sich mit Glyphosat oder Tierschutzstandards. Das sind alles Faktoren, die im Ausland egal sind, während sie bei uns eingefordert werden. Noch einmal: Ich bin dabei, die Landwirtschaft ökologischer zu machen und Tierschutz groß zu schreiben. Wenn wir das aber nur in der EU oder Deutschland tun, kämpfen wir als Bauern mit ungleichen Waffen auf dem Weltmarkt. Und dem sind wir ja nun mal leider voll ausgesetzt.

Auf EU-Ebene wurden jüngst die Weichen zur künftigen Verteilung der Agrar-Gelder gestellt. Kurz zusammengefasst bleibt alles beim Alten, es wird nur etwas ökologischer. Ist das der richtige Weg?

Sie spielen auf die Diskussion an, dass Bauern öffentliche Gelder nur für die Erbringung öffentlicher Leistungen erhalten sollten. Dazu sage ich: Es wird oft vergessen zu erwähnen, dass die Erzeugung hochwertiger und sicherer Lebensmittel genau so eine Leistung ist. Wir haben es als selbstverständlich hingenommen, dass immer genug, qualitativ hochwertige Lebensmittel erhältlich sind. Aber das ist es nicht.