Viele Dinge sind für immer verloren

400 Stück Vieh müssen weiterversorgt werden

Auch jetzt, kapp zwei Wochen später, herrscht immer noch ein großes Durcheinander. Die Aufräumarbeiten und Trocknungsmaßnahmen sind voll am Laufen. Und doch sind Vollmers voller Hoffnung, denn es muss weitergehen. „Das Wohl der Tiere ist uns am wichtigsten. Der Betrieb muss deshalb nahtlos weiterlaufen“, verdeutlicht Jörg Vollmer.

Seine Frau Verena und er schätzen sich glücklich über die große Solidarität, die sie von ihren Mitarbeitern, Verwandten, Freunden und selbst unbekannten Menschen erfahren dürfen. Jörg und Verena Vollmer betreiben auf ihrem Hof eine große Milchwirtschaft, sie haben 200 Kühe und 200 Stück Jungvieh; jährlich werden zwei Millionen Liter Milch produziert.

Der nachts heimkehrende Sohn sah das Malheur

Vollmers machen aber kein Hehl aus ihrem Gefühl, dass ihr Hof seitens der Politik vergessen beziehungsweise bis jetzt nicht berücksichtigt sei. Die bürokratischen Hürden seien außerdem sehr hoch.

Wenn Verena Vollmer von der Unwetternacht berichtet, bricht sie in Tränen aus. Sie erzählt, wie Wasser und Schlamm auf ihren im Tal liegenden Hof zugerollt waren.

Dabei war zunächst alles ruhig. Noch kurz vor Mitternacht war die Bäuerin mit dem Hundewelpen „Akira“ noch einmal ums Haus gegangen. Es regnete nur leicht. Alles war ruhig, die Familie, die Mitarbeiter schliefen.

Kurz vor 3 Uhr nachts dann klingelte Vollmers Handy. Der Sohn rief an und brüllte ins Telefon, dass die Unterführung, also die Zufahrt zum Hof, mindestens zwei Meter hoch unter Wasser stehe. Der Sohn hatte mit Schulkameraden gerade das bestandene Abi gefeiert, eine Zufahrt zum Wohnhaus war für ihn aber nicht mehr möglich.

Der Hof, der quasi im Kessel zwischen Stall und Wohnhaus steht, war gefüllt mit den Wasser und Schlamm – etwas mehr als einen Meter hoch. In das Erdgeschoss des Wohn- und Nebenhauses, wo die Mitarbeiter ihr Domizil haben, ist das Wasser leise eingedrungen.

Solidaritätswelle rollt an

Verena Vollmer rief sofort die 112. Im Nu waren verschiedene Feuerwehrabteilungen vor Ort. Die Tiere im Boxenlaufstall standen schon bis zum Bauch im Wasser. Sie waren von alleine hinaus zum Futtertisch gegangen – ein ihnen vertrauter Weg. „Es war ein Wunder, dass unter den Rindern keine Panik ausgebrochen ist. Glücklicherweise ist weder Mensch noch Tier zu Schaden gekommen“, sagt Jörg Vollmer.

Bald wurde die Whats­app-Gruppe „Hilfe Hagenbacher Hof“ gestartet, der Fall wanderte in die sozialen Medien. „Dann waren da plötzlich 150 Personen in der Gruppe, und nach und nach kamen Menschen auf unseren Hof, um mitanzupacken. Das war sehr berührend“, beschreibt Verena Vollmer, was auf einmal passierte. Helfer kamen mit Baggern, Traktoren und Mulden, Schaufeln und Eimern, andere fingen an, die überfluteten Zimmer auszuräumen und zu putzen.

Bis zu 17 Stunden Arbeit pro Tag

Doch die Flutwelle hat vieles vernichtet: Möbel, Kleidung, Maschinen, Vorräte. Nicht mehr zu retten waren auch einige Dinge, die für Familie Vollmer von hohem emotionalem Wert waren. Außerdem müssen 30 Kubikmeter Silage entsorgt werden. Bezüglich Schäden auf den Wegen zu den Feldern hat der zuständige Förster Soforthilfe angeboten.

Seit dem Tag der Katastrophe hält die Solidarität der freiwilligen Helfer an. Handwerker sind mit Renovierungsarbeiten beschäftigt. Innerhalb von drei Tagen wurde die halbe Küche wieder instandgesetzt. Container stehen auf dem Hof und sind prall gefüllt mit nicht mehr zu gebrauchenden Gegenständen.

In den folgenden Tagen kamen Freunde aus der Schweiz und eine ganze Fitnessgruppe, um gemeinsam Hand anzulegen. Die „Mädels-Clique“ von Verena Vollmer aus Degerfelden sowie Gastronomen von Rheinfelden bis ins Markgräflerland sorgen noch immer für die Verpflegung. Sie liefern fertige Mahlzeiten für die Vollmers und ihre Mitarbeiter. Denn Zeit und auch den Nerv zum Einkaufen haben die Landwirte derzeit nicht. Auf dem Hagenbacher Hof wird momentan täglich bis zu 17 Stunden gearbeitet.

Es muss weitergehen. Verena Vollmer sagt voller Dankbarkeit: „Ohne die Hilfe ganz vieler Menschen wären wir verloren gewesen. Wir hätten noch wochenlang alles vom Schlamm befreit. Jetzt gilt es unser Wohnhaus und das der Mitarbeiter zu renovieren, außerdem müssen ganz viel Sperrmüll und Geräte entsorgt werden.“

Allgemein sei der Hof gut versichert. Laut Jörg Vollmer ist auch „alles am Laufen“. Doch er gibt zu bedenken: „Wenn jetzt nichts geht in Sachen Hochwasserschutz, kann es passieren, dass der Versicherer von seinem Sonderkündigungsrecht Gebrauch macht. Schon jetzt sind gewisse Sachen von der Versicherung ausgeschlossen, weil wir an einem Gewässer und in einer Erdbebenzone leben. Das wäre dann bei einem nächsten Schaden der Todesstoß.“

Weitere Informationen: Wer den Hagenbacher Hof finanziell unterstützen will: IBAN DE94 6835 0048 0102 1173 71 oder per paypal an: vollmerfarm@t-online.de.