Pandemiephänomen: Haustierboom mit Kehrseiten - news

Während die Zahl der Hunde bis zum Stichtag 1. September 2020 nur einen kleinen Anstieg verzeichnete, dürfte der Hundeboom dann ab dem zweiten Lockdown im Herbst eingesetzt haben. Von November bis inklusive Februar wurden laut Tierschutzombudsstelle Wien 2.810 Neuanmeldungen für die Hundeabgabe verzeichnet, das waren um 24 Prozent mehr als im Vergleichszeitraum des Vorjahres. Und der Trend könnte sich noch verstärken: Angemeldet muss der Hund erst ab dem dritten Lebensmonat werden.

Die Zahl der Teilnehmerinnen und Teilnehmer an Sachkundekursen stieg in dem Zeitraum gar um fast 70 Prozent. Der Kurs ist in Wien für Hundehalter zu absolvieren, die sich zum ersten Mal oder nach einer Pause von zwei Jahren einen Hund zulegen.

Tierschutzhäuser mit mehr Nachfrage

Auch Tierschutz Austria (ehemals Wiener Tierschutzverein) sprach gegenüber ORF.at von einer umgebrochenen Nachfrage schon seit dem ersten Lockdown. Die telefonischen Anfragen – während der harten Lockdowns hatte die Tiervermittlung immer ausgesetzt, und die Terminvergabe erfolgte nur durch telefonische Vereinbarung – hätten sich gegenüber normalen Zeiten verdreifacht. Der Trend sei ungebrochen, hieß es von einem Sprecher. Auch aus Niederösterreich kommen ähnliche Meldungen – mehr dazu in noe.ORF.at.

Aus den anderen Bundesländern werden ähnliche Zuwächse gemeldet, Gesamtzahl gibt es aber keine: Die Hundeabgabe ist Gemeindesache, nur alle fünf Jahre trägt die Statistik Austria alle Daten zusammen. Rund 800.000 Hunde gibt es in Österreich.

Keine Daten für Katzen und Co.

Warum gerade Hunde so beliebt sind, liegt auf der Hand: Gerade während der strengen Lockdowns war und ist das Gassigehen mit Hund eine willkommene Abwechslung, um die Wohnung verlassen zu können. Berichtet wird auch, dass Eltern ihren Kindern mit einem Tier eine, zumindest gedacht, sinnvolle und pädagogisch wertvolle Beschäftigung im sonst reduzierten Alltagsleben geben wollen.

Auch für Katzen und Kleintiere gibt es größere Nachfrage: Tierschutzhäuser und Tierhandlungen verzeichnen auch hier mehr Anfragen, auch von Tierärzten werden viele neue Tierbesitzer gemeldet. Allerdings ist hier die Datenlage noch schwieriger, für Katzen und andere Tiere gibt es keine Meldepflicht. Züchter spielen – gerade bei Katzen – eine weit geringere Rolle.

Warnung vor illegal importierten Welpen

Andere Daten weisen deutlich auf einen Hundeboom hin: Laut Tierschutzombudsstelle seien die Suchanfragen bei Google zum Thema „Welpen kaufen“ um 120 Prozent gestiegen. Und die Zahl der Hunde, die illegal nach Österreich gebracht bzw. auf der Straße angeboten wurden und nach behördlicher Abnahme ins TierQuarTier Wien gekommen sind, stieg von 2019 auf 2020 auf mehr als 200 Prozent, erst zuletzt startete die Stadt Wien eine neue Initiative gegen illegalen Welpenhandel und wies darauf hin, dass die Zahl der erkrankten Tiere zunehmend größer werde – mehr dazu in wien.ORF.at. Ähnliche Warnungen kamen zuletzt auch aus der Steiermark und Tirol.

Auch Tierschutz Austria warnt davor, geschmuggelte Jungtiere zu kaufen und damit ein „mafiöses System von brutaler Tierquälerei“ zu fördern. Die Tiere seien meist „viel zu früh der Mutter entrissen worden und vielfach bereits als Jungtiere schwer krank“. Viele um das Tierwohl bemühte heimische Hundezüchter haben hingegen Probleme, der Nachfrage nachzukommen. Die Zucht verlangt häufig auch Auslandsreisen, die durch die Pandemie eingeschränkt sind. Dementsprechend gibt es auch weniger Welpen – mehr dazu in ooe.ORF.at.

Geschlossene Hundeschulen als Problem

Doch das ist nicht das einzige lockdownbedingte Problem: Auch Hundeschulen hatten lange geschlossen, zum Teil entstanden damit lange Wartelisten – mehr dazu in steiermark.ORF.at. Doch gerade für neue und unerfahrene Hundebesitzer kann der ungelernte Umgang mit dem Tier schwierig werden – und das endet mitunter nicht nur bei fehlender Stubenreinheit. Der „Guardian“ berichtete von einem Ansteigen von Hundebissen in Großbritannien, erste ähnliche Beobachtungen gibt es auch in Österreich – mehr dazu in ooe.ORF.at.

Pandemiephänomen: Haustierboom mit Kehrseiten - news

Schicksal wie „Weihnachtstiere“?

Auch damit stellt sich natürlich eine Frage: Droht den „Pandemiehunden“ ein ähnliches Schicksal wie jenen Tieren, die etwa zu Weihnachten als Geschenke vergeben werden? Also sind die Besitzer mit den Tieren spätestens nach dem Ende der Lockdown-Maßnahmen überfordert oder ihrer überdrüssig?

Von Tierschutz Austria heißt es dazu gegenüber ORF.at, man habe immer versucht, die Bevölkerung dahingehend zu sensibilisieren, dass ein Lockdown „der völlig falsche Zeitpunkt für die Anschaffung eines Haustieres ist“. Natürlich könne man Isolation und auch Langeweile als Motive verstehen, dennoch müsse man die Zeit danach bedenken – und „ein Haustier bedeutet Verantwortung und beansprucht auch Zeit und Geld“. Die Befürchtung, dass sich so manche von ihrem Tier wieder trennen könnten, gibt es bei Tierschutz Austria. Tendenzen dazu sehe man aber derzeit nicht, zeigt man sich erleichtert.

Großes Geschäft

Aus Großbritannien wird wiederum berichtet, dass mit Ende von Lockdown und Homeoffice-Zeiten der Bedarf an Hundesittern und diversen Gadgets steigt, die die Vierbeiner beschäftigen, überwachen und füttern. Demzufolge würden Kameras, Bewegungsmelder und Futterautomaten boomen. Das nimmt teilweise bizarre Formen an: Spotify and Amazon Prime bieten eigene Playlists für Hunde an, es gibt mit RelaxMyDog mittlerweile auch einen eigene Streamingdienst, der auf Hunde zugeschnitten ist.

Gutes Geschäft mit dem Boom machen auch Tierbedarfsgeschäfte und Futterproduzenten. Die Kette Fressnapf meldete in Österreich für 2020 ein Umsatzplus von 18 Prozent. In Deutschland vermeldeten der Industrieverband Heimtierbedarf und der Zentralverband Zoologischer Fachbetriebe Deutschlands ein Umsatzplus von fünf Prozent – bei einer geschätzten Million neuer Haustiere in einem Jahr in deutschen Haushalten. In Großbritannien, wo Schätzungen sogar von zwei Millionen neuen Hundebesitzern sprechen, wurden sogar Befürchtungen von Supermarktketten laut, man könne den Bedarf an Tierfutter möglicherweise nicht decken. Man arbeite mit den Produzenten daran, die erhöhte Nachfrage auch bedienen zu können.

Exkrementielles Wachstum

Die Kehrseite genau dieser Thematik beschäftigt dann vor allem die Nichthundebesitzer: Denn wo mehr Hunde sind, ist auch mehr Hundekot, vor allem im städtischen Bereich ist das ein Dauerkonfliktstoff. In den vergangenen Wochen kochte das Thema auch wieder vermehrt in den Sozialen Netzwerken auf.

Für Neo-Hundebesitzer würde das Beseitigen vielleicht noch eine ungeahnte Herausforderung sein, heißt es etwa. Andere meinen, in menschenleeren Straßen, würde es viele mit dem bekannten „Sackerl“ nicht so ernst nehmen. Und langjährige Hundebesitzer wiederum weisen darauf hin, dass es die Diskussion jedes Frühjahr gäbe, wenn sich Menschen wieder etwa auf Wiesen trauen, die im Winter eher den Hunden vorbehalten sind und deren nicht eingesammelte Trümmerln im Schnee für die nächste Schuhsohle gut konserviert bleiben.

ckör, ORF.at/Agenturen

Links:

Tierschutzombudsstelle Wien

Tierschutz Austria

„Guardian“-Artikel

„Guardian“-Artikel