Ein ganzes Haus als Paradies für Nager

Hamster und Co. sind beliebte Haustiere. Weit verbreitet ist die Haltung in engen Käfigen oder sehr kleinen Gehegen. Dabei brauchen die bewegungsfreudigen Nager viel Platz. Natascha Junker und Rico Gürtler zeigen in ihrer „Burg Nagezahn“, wie es richtig geht.

Hirschfelde - „Mira“ und „Bobby“ haben ein ganzes Treppenhaus für sich, auf dem die beiden Chinchillas flink und nahezu lautlos umher flitzen. Jede Menge Versteckmöglichkeiten in ausgehöhlten Baumstümpfen, Körben und Kisten sorgen für Abwechslung.

Die beiden neugierigen südamerikanischen Nagetiere fühlen sich sichtlich wohl, kein Gitter bremst ihren offensichtlichen Bewegungsdrang. „Die weit verbreitete Käfighaltung ist der größte Irrglaube bei Besitzern von Nagern oder Kaninchen. Wir geben unseren Tieren mehr Raum“, sagt Natascha Junker.

Die nicht artgerechte Haltung von Nagern in zu kleinen Gehegen sei ein großes Problem und noch immer weit verbreitet, sagt Veterinärmedizinerin Daniela Rickert von der Tierärztlichen Vereinigung für Tierschutz (tvt). Laut Tierschutzgesetz müsse zwar jeder Zoofachhändler Kunden auf die möglichst artgerechte Haltung hinweisen, wie umfangreich diese Informationen ausfallen, sei jedoch nicht festgelegt.

Zudem laufe viel über Online-Plattformen oder reine Zoo-Zubehör-Händler ohne Sachkunde. „Handelsübliche Gehege sind in der Regel immer zu klein. Da muss der Tierhalter schon selbst bauen“, sagt Rickert.

Ein ganzes Haus als Paradies für Nager

Wie das geht, weiß Junker. Gemeinsam mit ihrem Partner Rico Gürtler hat die gelernte Tierpflegerin ihr komplettes Zuhause in Hirschfelde (Barnim) nach den Bedürfnissen ihrer flinken Mitbewohner ausgerichtet und es bezeichnend „Burg Nagezahn“ genannt. Die beiden Chinchillas sind längst nicht die einzigen Vierbeiner: Insgesamt 58 Mäuse, Ratten, chilenische Degus, Chinchillas und Kaninchen leben bei den beiden überzeugten Veganern, die sich selbst mit der nur etwa 18 Quadratmeter großen Küche des Hauses begnügen. Sie ist für Junker und Gürtler zugleich Schlafzimmer und Büro. Beide hatten sich in Berlin kennengelernt und waren vor vier Jahren nach Hirschfelde gezogen.

Viele ihrer Schützlinge sind krank, kommen häufig auch aus schlechter Haltung. „Im Tierheim gelten sie als schlecht vermittelbar. Deswegen wohnen sie bei uns bis zu ihrem Lebensende“, erklärt die 29 Jahre alte Hausherrin. Zwölf Kaninchen leben im 450 Quadratmeter großen Garten inklusive eines 33 Quadratmeter großen Unterstands, den die beiden Nager-Freunde Fuchs- und Marder-sicher gemacht haben. „Im Frühling wollen wir um den Garten noch einen Strom gesicherten Weidezaun ziehen“, erzählt Gürtler. In einem Nebengebäude soll zudem eine Quarantänestation entstehen.

Außerhalb von Corona-Kontaktbeschränkungen führen er und seine Lebensgefährtin gern Besucher durch ihre nach frischem Heu duftende „Burg Nagezahn“, die erstaunlich aufgeräumt und sauber wirkt. Sie putzten täglich mehrere Stunden, sagt die gebürtige Lübeckerin Junker, die zudem 32 Stunden in der Woche im Tierheim Berlin arbeitet.

Ein Leben für die Nagetiere

Der aus Sachsen-Anhalt stammende Gürtler hat sich ganz in den Dienst von „Burg Nagezahn“ e. V. gestellt, der die Betreuung der Tiere über Spenden und Patenschaften finanziert. 17 bis 18 Stunden pro Tag widmen sich Gürtler und Junker täglich ihren Nagern und Kaninchen. „Da bleiben weder Zeit noch Geld für Urlaub oder Restaurantbesuch. Das brauchen wir aber auch nicht, denn wir haben uns bewusst für dieses Leben entschieden„, betont Junker, die mit Meerschweinchen, Ratten und Kaninchen aufgewachsen ist.

Im Erdgeschoss befindet sich gleich neben der Küche das „Kaninchen-Rentnerzimmer“, in zwei umgebauten Wandschränken haben auf mehreren Etagen ehemalige Laborratten sowie Farbmäuse ihr Zuhause. Im Obergeschoss ist das Reich von Degus und Meerschweinchen, die sich augenscheinlich gut vertragen. An den Wänden haben Rennmäuse einen zehn Meter langen Parcours, ein halb so großes Hamstergehege ist gerade im Bau. Deutlich wird dem Beobachter schnell: Auch kleine Tiere haben große Ansprüche. Und: Die Nager sind keine Kuscheltiere. Sie huschen flink ins nächste Versteck, sobald sich jemand bewegt.

„Dass Hamster und Meerschwein da anspruchsvoll sind, ist selbst vielen Tierschützern nicht bewusst“, erzählt Tanja Günter. Ihr Fokus liege meist auf größeren Tieren, meint die Vorstandsvorsitzende der Stiftung Tiernothilfe, die auf einem 13 Hektar großen Grundstück in Mecklenburg-Vorpommern 150 Tiere betreut. Junker und Gürtler leisten ihren Angaben nach viel Aufklärungsarbeit, auch in Schulen, lobt sie. „Dennoch gibt es bisher nur wenige Tierhalter, die ihre Nager artgerecht halten. Da ist noch viel Luft nach oben“, sagt Günther. dpa