„Zombie Krankheit“: Von befallenen Hirschen und wirtschaftlichen Interessen

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ie Berichte lesen sich dramatisch: „Zombie-Hirsche“ breiteten sich immer weiter in den USA aus, ihr zentrales Nervensystem zersetzt von einem abnormalen Protein. Es sei nur eine Frage der Zeit, bis Menschen betroffen seien. Was ist dran am Zombie-Alarm - und wie groß ist das Risiko für Menschen wirklich?

Die Tiere leiden an der Chronic Wasting Disease (CWD). Die Krankheit befällt Gehirn, Rückenmark und andere Nervenzellen von Rotwild, Elchen und Rentieren und ist vergleichbar mit der Rinderkrankheit BSE und der Schafkrankheit Scrapie. Auslöser sind sogenannte Prionen, abnormale Eiweiße, die Nervenzellen angreifen und extrem widerstandsfähig gegen übliche Desinfektionsverfahren wie Erhitzen sind. Eine Heilung gibt es nicht, die Tiere sterben.

CWD ist kein neues Phänomen. Erste Fälle wurden schon in den späten 1960er-Jahren im US-Bundesstaat Colorado dokumentiert, zunächst in gefangenen Populationen, ab 1981 auch bei Wildtieren. Von Colorado aus breitete sich die Krankheit in den 90er-Jahren nach Wyoming aus, seit 2000 kamen Gebiete im Mittleren Westen, Südwesten der USA und einzelne Areale an der US-Ostküste hinzu. Besonders viele Fälle melden die Bundesstaaten Nebraska, Colorado, Kansas, Wisconsin und Wyoming.

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„Zombie Krankheit“: Von befallenen Hirschen und wirtschaftlichen Interessen

Insgesamt waren nach Angaben des Centers for Disease Control and Prevention (CDC) bis Januar 24 US-Bundesstaaten betroffen und zwei Provinzen in Kanada. In Südkorea erkrankte eine Herde aus Kanada importierter Watipi-Hirsche. In Europa ist die Krankheit bislang in Finnland und in Norwegen aufgetaucht.

Den ersten Fall dokumentierte Norwegen im April 2016, danach wurden 11.000 Wildtiere getestet - bei zwei Rentieren und zwei Elchen wurden die Behörden fündig. Um das Problem einzugrenzen, gab Oslo eine ganze Rentierherde von rund 2200 Tieren zum Abschuss frei. In Finnland wurde im Februar 2018 ein toter Elch gefunden, der an CWD erkrankt war.

Besondere Gefahr für Nutztiere

Insgesamt ist die Verbreitung bei freilaufenden Hirschen und Elchen laut CDC relativ niedrig. In einigen Gebieten hat sich die Krankheit jedoch etabliert, dort liegen die Infektionsraten bei bis zu zehn Prozent. Örtlich kann sogar jedes vierte Tier betroffen sein. In Herden in Gefangenschaft erkranken weit mehr Tiere, bis zu 79 Prozent einer Herde waren in der Vergangenheit betroffen.

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Wie genau sich der Erreger verbreitet ist unklar, Forscher vermuten eine orale Übertragung. Die befallenen Tiere verlieren Gewicht, sind übermäßig durstig, werden apathisch, benommen, torkeln, zittern und sind bei Berührung aggressiv. Viele der Tiere sabbern zudem exzessiv und knirschen mit den Zähnen. Daher die Bezeichnung „Zombie-Krankheit“ - untot sind die Tiere natürlich nicht.

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Das Thema ist jetzt zurück in den Medien, weil ein US-Forscher in Minnesota vor der Übertragung der Krankheit auf Menschen gewarnt hat. Bislang ist kein solcher Fall bekannt. In freier Wildbahn ist nur die Übertragung auf Rotwild, Elche und Rentiere registriert. In Laborsituationen erkrankten auch Mäuse und Primaten. Michael Osterholm, Direktor des Zentrums für Infektionskrankheiten an der Universität von Minnesota, sagte letzte Woche im Kapitol von Minnesota aus, es sei „wahrscheinlich, dass es CWD-Fälle beim Menschen durch Verzehr von befallenem Fleisch in den nächsten Jahren geben wird." Auch bei BSE sei zunächst keine Ansteckungsgefahr für den Menschen gesehen worden. "Es ist möglich, dass die Zahl der menschlichen Fälle beträchtlich sein wird, keine isolierten Fälle“.

Neben dem gesundheitlichen Aspekt könnten auch wirtschaftliche Interessen eine Rolle spielen. Dem US-Nachrichtensender NBC News zufolge sind die Fördergelder für die Erforschung und Prävention zusehends weniger geworden, seit die Bundesbehörden 2001 den nationale CWD-Notstand ausriefen. Allein, dass Jäger umsonst ihr Fleisch testen lassen können, koste viel Geld, ganz zu schweigen von tiefergreifenden Studien.

Jagen ist in den USA zudem ein großes Geschäft, das laut Bericht 15 Milliarden Dollar jährlich in die Taschen von Waffenherstellern, Ausrüstern und den Tourismussektor ländlicher Kleinstädte spült. Nur - wer will noch Wild essen, wenn er damit sein zentrales Nervensystem gefährden könnte? Jägern in betroffenen Gebieten wird jedenfalls seit Jahren empfohlen, erlegte Tiere vor Verzehr testen zu lassen.