Urlaub vom Kuhstall - Können Landwirte verreisen?

Noch ahnen die neugeborenen Kätzchen der Familie Gattinger nichts - aber bald wird etwas anders sein auf dem "Tradlenzhof": Andrea und Jakob Gattinger werden mit ihren beiden Töchtern nämlich für ein paar Tage nach Südtirol fahren. Um die Tiere auf ihrem Einödhof bei Obersöchering wird sich dann Jakob Bichlmeier kümmern.

Betriebshelfer - wenn Not am Hof ist oder als Urlaubsvertretung

Der 26-Jährige ist landwirtschaftlicher Betriebshelfer. Er kommt aber nicht nur, wenn Not am Hof ist, sondern auch als Urlaubsvertretung.

Früher, so erzählt Bauer Josef Gattinger, waren noch die Oma, Tante und der Onkel mit am Hof und die "haben es geschmissen", wenn er mit seiner Familie mal ein paar Tage wegfahren wollte. Jetzt ist zwar noch der "Senior" da, aber die viele Arbeit im neu modernisierten Kuhstall wäre ihm alleine zu viel.

Deshalb wird Jakob Bichlmeier ein paar Tage auf dem Hof aushelfen.

Ein Kanapee im Stall? Jeder Hof hat so seine Eigenheiten ...

Ein paar Tage vor der Abfahrt nach Südtirol findet die "Hofübergabe" statt. Die wichtigste Aufgabe für Jakob Bichlmeier ist das Melken. Wenn die Familie Gattinger im Urlaub ist, wird der Hofhelfer zwei Mal am Tag die Kühe in den Melkstand lassen.

Josef Gattinger zeigt als erstes, wie der Melkstand funktioniert: Ein Hebel nach oben, einer nach unten. Der Hofhelfer weiß bald ganz genau, was er tun muss - schließlich hat er schon des Öftern einen Melkstand bedient. Eine Sache fällt ihm aber auf: Oben an der Wand hängt ein Brausekopf. Josef Gattinger erklärt, dass es sich dabei um eine Dusche für die Kühe handelt: "Wenn die Fliegen recht ekelhaft sind beim Melken, dann werden sie ruhig. Dann hast ein schönes Melken."

Neben den 25 Milchkühen gibt es auf dem Hof von Familie Gattinger noch 20 Jungtiere, ein 30 Jahre altes Pony, eine Hündin, Hühner, Schafe, Hasen und neugeborene Kätzchen.

Doch auf so einem fremden Anwesen sind schon manchmal ein paar Sachen anders, als man es vielleicht selbst kennt. Bei den Gattingers steht beispielsweise ein Kanapee im Stall. "Wenn Du mal auf den Tierarzt warten müsstest, dann könntest Du Dich da hinhocken – da hast Du eine ganz andere Perspektive auf die Kühe, kannst ihnen beim Fressen zuschauen. Mach ich auch ganz gerne!", beantwortet der Landwirt lachend Bichlmeiers fragenden Blick.

Der Maschinenring vermittelt nicht nur Mähdrescher

Sandra Schneider vom Maschinenring Oberland hat Betriebshelfer Jakob Bichlmeier zu den Gattingers gebracht. In Peiting ist eine der 240 Geschäftsstellen in Deutschland. Was viele aber nicht wissen: Die Maschinenringe der einzelnen Bezirke vermitteln nicht nur Mähdrescher oder Schneepflüge, sondern auch Helferinnen und Helfer.

So läuft der landwirtschaftliche Betrieb auch bei Krankheiten, Todesfällen oder Geburten weiter. Und wenn die Bauernfamilie einfach mal eine Auszeit braucht.

Bezahlen muss der Landwirt die Hilfe aus eigener Tasche. Jeder Betriebshelfer bestimmt seinen Stundenlohn selbst. "An die fünf, sechs Urlaubshelfer konnten wir im letzten halben Jahr erfolgreich vermitteln", erzählt Sandra Schneider vom Maschinenring in Peiting.

Auch Kälbchen haben Lieblingsfarben

Im Stall auf dem Tradlenzhof zählt Josef Gattinger noch auf, welchen Charakter seine Kühe haben. Kuh Emma beispielsweise braucht immer etwas länger mit allem als die anderen. Jakob Bichlmeier weiß jetzt auch, wo die Fernbedienung für den automatischen "Heu-Lieferservice" versteckt ist und findet es richtig gut, dass er das Futter für die Kühe nicht selbst vom Dachboden werfen muss. Wie die beiden Massagebürsten funktionieren, braucht er aber nicht wissen - das können die Kühe selbst.

Weiter geht's die Weide runter zum mobilen Hühnerstall. Denn auch die 20 Hühner wollen versorgt werden, wenn die Gattingers in Südtirol sind. Jakob Bichlmeier will noch wissen, wohin er dann die Eier bringen soll.

Die Kälbchen sind draußen in eigenen kleinen Ställen untergebracht, das jüngste ist erst einen Tag zuvor auf die Welt gekommen. Andrea Gattinger füttert gerade eines und zeigt Jakob Bichlmeier, wie viel jedes Kalb bekommt und - ganz wichtig - welchen Eimer er für welches Tier verwenden soll: "Also, Du gibst den Kälbern jeweils einen halben bis dreiviertel Kübel. Der Neugeborene drüben bekommt aber bloß einen halben Kübel. Und bei dem Kalb hier ist wichtig: Du musst den blauen Eimer hernehmen, weil der aus dem grünen nicht trinkt".

Nach der Hofübergabe geht es in den Urlaub

Viele Einzelheiten muss sich der Betriebshelfer merken, schließlich sind die Abläufe auf jedem Hof anders. Jakob Bichlmeier ist sich aber sicher, dass es nicht lange dauert, bis er "drin" ist. Schließlich übernimmt er als hauptamtlicher Betriebshelfer immer wieder mal fremde Höfe. Vor ein paar Jahren war er sogar schon mal bei den Gattingers zur Urlaubsvertretung.

Nach so einer sorgfältigen Einweisung kann ja jetzt nichts mehr schief gehen, oder? "Das kriege ich schon hin", sagt Jakob Bichlmeier ganz überzeugt. "Da denke ich mir jetzt nichts. Bis jetzt haben wir noch alles hingebracht und zur Not wäre er ja telefonisch erreichbar".

Da der 26-Jährige nur zehn Kilometer vom Hof der Gattingers entfernt wohnt, wird er zweimal am Tag hinfahren und nicht auf dem Hof wohnen. Andrea und Josef Gattinger freuen sich jedenfalls, dass sie Jakob Bichlmeier vermittelt bekommen haben und die Übergabe so reibungslos geklappt hat.

Dem Kurzurlaub mit der zehnjährigen Johanna und der siebenjährigen Leni in Südtirol steht jetzt also nichts mehr im Weg.