Schweizer Zulassung für Zolgensma - Teuerstes Medikament kommt in die Schweiz und wird von der IV erstattet

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Schweizer Zulassung für Zolgensma - Teuerstes Medikament kommt in die Schweiz und wird von der IV erstattet

Schweizer Zulassung für Novartis-Mittel Zolgensma

Teuerstes Medikament kommt in die Schweiz und wird von der IV erstattet

Swissmedic hat die Gentherapie für Babys zugelassen. In den USA und in Deutschland kostet sie über 2 Millionen Franken, hier ist der Preis geheim.

Isabel Strassheim

Publiziert: 30.06.2021, 05:12

Die Britin Maggie Moore 2019 mit Tochter Margaux: Das an SMA erkrankte Kind wurde mit Zolgensma behandelt.

Foto: Melissa Golden (Redux, Laif)

Eltern von Babys mit der seltenen und tödlichen Erbkrankheit Spinale Muskelatropie (SMA) setzen auf die Gentherapie von Novartis: Am Dienstag hat

Swissmedic die Infusion namens Zolgensma

auch in der Schweiz für Kinder bis zwei Jahre zugelassen. Bekannt war das Medikament schon zuvor wegen seines Preises: Mit 2,1 Millionen Dollar in den USA und 2,26 Millionen Euro in Deutschland ist es das teuerste Medikament der Welt. In der Schweiz ist der Preis dagegen geheim.

«Unsere Vereinbarung mit Novartis untersteht der Vertraulichkeit», sagt Harald Sohns, Sprecher des Bundesamtes für Sozialversicherungen (BSV). In der Schweiz erstatten nicht die Krankenkassen das Medikament, sondern die Invalidenversicherung. Denn es handelt sich um die Therapie eines Geburtsgebrechens, wofür bei Personen bis 20 Jahre die IV aufkommt.

Schon vor der Zulassung durch Swissmedic konnte die IV die Infusion bei Kleinkindern mit einer Ausnahmebewilligung bezahlen. «Nun können wir neue Verhandlungen mit Novartis aufnehmen und uns hoffentlich auf einen regulären Preis definitiv festlegen», sagt Sohns. Die Krankenkassen hoffen ihrerseits, dass die Therapie tatsächlich heilt und auch die Vergütung an die Wirkung geknüpft ist, wie Santésuisse-Sprecher Mathias Müller fordert.

In der Schweiz leben rund 120 Menschen mit SMA. «Hohe Preise für neue, innovative Medikamente bei seltenen Krankheiten scheinen der Preis zu sein, den wir dafür bezahlen, dass die Pharmaindustrie in diesem Bereich investiert», sagt die Präsidentin der Patientenorganisation SMA Schweiz, Nicole Gusset. Dass der Prozess der Preisfestsetzung nicht transparent ist und Patientenorganisationen nicht konsultiert werden, stört sie: «Der Preis darf kein Hinderungsgrund dafür sein, dass Therapien für alle Patienten bezahlt werden können, die davon profitieren können.»

Ähnliche Technologie wie bei Covid-Impfung

Novartis hatte das Medikament Zolgensma 2018 ins Portfolio bekommen, als die Basler für 8,7 Milliarden Dollar das Biotech-Unternehmen Avexis gekauft hatten. Der Konzern verfügt über die weltweit grösste kommerzielle Produktionskapazität für Gentherapien. In den USA oder der Europäischen Union ist Zolgensma schon zugelassen. Im

ersten Quartal 2021 machte Novartis

damit einen Umsatz von 319 Millionen Dollar – was Finanzanalysten angesichts des hohen Kaufpreises für Avexis zum Teil eher enttäuscht.

Zolgensma zeichnet sich dadurch aus, dass es nur eine einzige Infusion braucht und den Gendefekt bei Babys nicht nur behandeln, sondern kurieren soll. Dabei nutzt die Therapie einen Adeno-assoziierten Vektorvirus, der als Genfähre eine funktionsfähige Variante des Gens SMN1 in die Körperzellen bringt und so den Erbdefekt repariert. Ob die Infusion auch tatsächlich heilt, muss sich aber erst noch weisen, dafür braucht es Langzeitstudien.

Konkurrenz-Therapie vom Lokalrivalen Roche

Für Pharmakonzerne sind Investitionen in die Erforschung seltener Krankheiten lukrativ – in den USA erhalten sie Steuerermässigungen sowie eine Marktexklusivität zugesichert, die ihnen erlaubt, den Preis frei festzulegen. Zolgensma ist in der Schweiz wie auch anderswo nur für Kinder bis zwei Jahre zugelassen. Und zwar nur für die schlimmste Form der Krankheit SMA, den Typ 1.

Bei der Krankheit SMA gibt es inzwischen allerdings drei Therapien. Auch der Basler Lokalrivale Roche hat das Medikament Evrysdi auf dem Markt, das Swissmedic vor einem Monat zuliess. Es gilt auch für SMA Typ 2 und 3 bei Jugendlichen und Erwachsenen. Auch gibt es Spinraza von der US-Firma Biogen. Beide Therapien sind günstiger – allerdings müssen sie auf Dauer eingenommen werden. Auf zehn Jahre gerechnet belaufen sich ihre Kosten in Europa auf 2,5 bis 4 Millionen Euro, wie ein Sprecher von Novartis erklärt.

Für ältere Kinder sowie Erwachsene sind im Moment nur die Medikamente von Roche und Biogen zugelassen. Novartis muss für die Zulassung für diese Gruppe neue klinische Studien aufsetzen, was noch Zeit in Anspruch nehmen dürfte. Novartis arbeitet jedoch stark darauf hin, dass Neugeborene künftig standardmässig auf SMA untersucht werden. «Das grosse Potenzial für Zolgensma ist, dass man die Therapie früh einsetzen kann und dass es diese Erbkrankheit heilt», sagt Pharmaanalyst Stefan Schneider von Vontobel. Das heisst: Kommt Zolgensma schon bei Babys zum Einsatz und heilt die Krankheit, braucht es eine spätere Therapie – und damit die Konkurrenz-Produkte – gar nicht mehr.

Publiziert: 30.06.2021, 05:12

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18 Kommentare

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Arthur Bräcker

01.07.2021

«Unsere Vereinbarung mit Novartis untersteht der Vertraulichkeit» soviel zu Transparenz und Offenlegung.

Das kann doch nicht sein, schliesslich werden diese horrenden Summen mit unserer KK Prämien und Steuergeldern beglichen.

Auf der anderen Seit sterben jährlich Millionen an Malaria und ähnlichen Krankheiten weil die Pharma hier keine Forschung betreiben will, da die Risikopatienten eh kein Geld haben.