Schweinegesundheitsdienst: Was sind die Gründe für Aggressionen, Unruhe und Kannibalismus?

Kurz & bündig

In den letzten Jahren stellen Mäster vermehrt Aggressionen, stetige Unruhe und Kannibalismus unter Schweinen fest.

Eine der Ursachen ist Durchfall: Kranke und geschwächte Tiere neigen eher zu Stress.

Auch eine Grossgruppe ohne Rückzugmöglichkeiten hat Stress und oft Kannibalismus als Übersprungshandlung zur Folge.

In Schweizer Schweinemasten war in den letzten Jahren HIS (Hämorrhagisches Intestinalsyndrom) sicherlich das grosse Thema. Mäster leiden aber auch unter anderen Problemen.

Ein Phänomen, welches in den letzten Jahren zugenommen hat, ist die Aggression unter den Schweinen, die stetige Unruhe und der Kannibalismus. Labelbetriebe sind schätzungsweise gleich betroffen wie Nicht-Labelbetriebe.

Es gibt viele Ursachen für dieses Phänomen. Im Kanton Luzern wurde zum Beispiel ein neuer Labelmaststall für 700 Mastschweine gebaut. Die Schweine werden kontinuierlich aus einem zugewiesenen Zuchtbetrieb geliefert.

Der Mastbetrieb besteht aus zwei Ställen. Der eine Stall hat zwölf Buchten mit je 33 Tieren. Der zweite Stall beinhaltet unter anderem eine Grossgruppe von 250 Mastschweinen mit Wäge- und Separierungseinheit.

Auf dem Betrieb kam es zu verschiedenen Befunde:

Durchfall

starker Kannibalismus

Auseinanderwachsen

Unruhe

Aggression

Im Durchfallkot wurde

Brachyspira pilosicoli

gefunden. Es zeigte sich, dass die gelieferten Jager schon den Erreger ins System bringen.

Durchfall und Kannibalismus haben einen Zusammenhang

Kranke und geschwächte Tiere neigen eher zu Stress und Kannibalismus. Durchfall und Kannibalismus sind miteinander verkettet. Mastjager werden durch den Durchfall unausgeglichen und zeigen «Schwänzeln».

Der SGD stellt bei Durchfall immer wieder

Brachyspira pilosicoli

in Aufzucht- und Mastbetrieben fest. Schwierige Stallbedingungen und Managementfehler verschärfen die Problematik.

Die Gefahr der kontinuierlichen Bestossung

Ein sauberes Rein-Raus wird dem Mäster empfohlen. Bei kontinuierlich geführten Masten, auch wenn nur ein Züchter eingestallt ist, führt ein wachsender Erregerdruck immer wieder zu grossen Schäden. Zum Beispiel ist

Brachyspira pilosicoli

ein Erreger, welcher bei schwierigen Klima- und Hygienebedingungen mühsamen Durchfall auslöst.

Grossgruppen ohne Rückzugsmöglichkeiten bringen Stress

Einzelne Schweinmäster vertrauten in den letzten Jahren dem Grossgruppen-System. Tiefere Baukosten und zusätzlich installierte, moderne Überwachungsmöglichkeiten (laufendes Wägen mit Selektion) sind Vorteile. Die Haltung von 250 bis 350 Mastschweinen in einer Bucht hat aber auch grosse Nachteile.

Eine Grossgruppe ohne Rückzugmöglichkeiten hat Stress und oft Kannibalismus als Übersprungshandlung zur Folge. Weiter sind einige Betriebe mit Grossgruppen bekannt, bei denen Schweine im Liegebereich Kot und Harn absetzen. Eine Buchtgrösse von maximal 30 Mastschweinen wird als ideal betrachtet.

SGD-Ratschläge zum idealen Klima im Jagerstall

Unser Ratschlag beim Einstallen im Maststall: Stallen sie Jager nie unter 22 Grad im Komfortbereich ein! Installieren Sie ein Minimum-Maximum-Thermometer mit Hygrometer im Liegebereich nahe den Schweinen. Die Luftfeuchtigkeit sollte nicht unter 50 Prozent (zu trockene Luft) und nicht über 80 Prozent sein (zu feuchte Luft). Vor allem zu feuchte Luft mit zu hoher Wärme löst Stoffwechselprobleme und Kannibalismus aus.

Landwirte müssen kranke Tiere sofort gemäss Anweisung des Bestandestierarztes behandeln. Schmerzmittel sind bei der Behandlung von Kannibalismus wichtig, da sie auch eine abschwellende Wirkung haben.

Abräum- und Krankenbuchten sind Pflicht. Mindestens drei Prozent der Mastplätze sollen als Krankenbuchten genutzt werden können. Die Krankenbucht sollte möglichst wenig Schweine führen.

Wenn Sie als Labelbetrieb die genesenen Schweine in der Krankenbucht stehen lassen wollen (sofern genügend Platz vorhanden), muss auch die Krankenbucht labelkonform sein (das heisst Auslauf etc.).

Adäquate Wasseraufnahme gewährleisten, gezielt füttern

Im Mastbetrieb muss eine adäquate Wasseraufnahme gewährleistet sein. Installieren Sie am besten Lubing-Beissnippel. Diese gewähren eine gute Wasseraufnahme und wenig Verluste in die Gülle.

Eine gezielte Phasenfütterung (Vor- und Ausmastfutter) ist für die Schweine gesundheitlich von Vorteil. Das Futter muss genügend Rohfaseranteile beinhalten. Stroh und Futter sollen tiefe Mykotoxin-Werte beinhalten. Schauen sie sich das Stroh an und lassen Sie die Lieferung auf DON und ZON untersuchen.

Bei Fragen oder Problemen stehen erfahrene SGD-Tierärzte zur Verfügung. Wenden Sie sich an ihr SGD-Büro der SUISAG, wenn es um Schweinegesundheit, Management, Stallklima und Stallbau geht.

Für SGD-Betriebe gibt es auf der SUISAG-Website Merkblätter mit Infos zu «Einstallen in Vormast», «Endmast und Schlachtung», «Kannibalismus» und «Kranke und verletzte Schweine».

Durchfall-Erreger Brachyspira pilosicoli

Brachyspira pilosicoli

ist der Erreger der porcinen intestinalen Spirochätose (Porcine Colonic Spirochaetosis, PCS). PCS tritt vor allem bei Ferkeln ein bis zwei Wochen nach dem Absetzen auf, wird auch bei Mastschweinen und selten bei Zuchttieren beobachtet.

PCS ist eine Schweinedysenterie-ähnliche Erkrankung. Sie verläuft jedoch milder, mit wässrig-schleimigem Durchfall ohne Blutbeimengungen. Gewichtszunahmen mit verlängerter Mastdauer können die Folge sein. Die Tiere genesen nach mehreren Tagen; die Mortalität ist in der Regel gering.

Quelle: BLV, Übersichtsstudie zum Vorkommenvon Brachyspira spp. in Schweizer Schweinebeständen

Stroh auf Fusarientoxine untersuchen lassen

Die sowohl im Getreide als auch im Stroh vorkommenden Fusarientoxine Deoxynivalenol (DON) und Zearalenon (ZON) werden von den Schweinezüchtern und praktizierenden Tierärzten als eine wichtige Ursache von Fruchtbarkeitsproblemen bei Sauen angesehen.

Die auch für den Menschen giftigen Fusarientoxine werden von Schimmelpilzen der Gattung Fusarium gebildet. Diese befallen überwiegend lebende Pflanzen und gehören deshalb zu den typischen Feldpilzen. Allerdings können sie sich auch unter günstigen Bedingungen bei der Lagerung ausbreiten.

Die Besiedelung mit Fusarien kann zu Pflanzenkrankheiten mit entsprechenden Ernteverlusten, aber auch zur Kontamination der Erntegüter mit verschiedenen Mykotoxinen (Pilzgiften) führen. Bei den ca. 100 von Fusarien gebildeten Toxinen unterscheidet man drei Hauptgruppen: Trichothecene, Zearalenon und Fumonisine.

Quelle: Agrarforschung Schweiz