Frankfurt: Vonovia – Bewohner leben seit sieben Jahren mit kontaminiertem Wasser

Seit 2013 leben Vonovia-Mieter in Sachsenhausen laut Gesundheitsamt Frankfurt mit einer „extrem hohen Kontamination“ mit Legionellen im Trinkwasser. Trotz Schutzmaßnahmen keimen die Bakterien weiter. Weil die Vonovia die Ursache der Verseuchung bisher nicht beseitigen konnte, organisiert sich die Nachbarschaft nun gegen den Konzern.Frankfurt: Vonovia – Bewohner leben seit sieben Jahren mit kontaminiertem Wasser

Hohe Kontamination des Wassers in Vonovia-Wohnungen in Frankfurt.

Der Vonvia-Konzern tue nach Angaben der Bewohner zu wenig für ihre Gesundheit.

Die Mietergewerkschaft erlebte Anfang August 2020 einen kleinen Erfolg gegen den Konzern.

Frankfurt – Katharina Franz geht vom Schlimmsten aus, wenn wieder ein Brief mit der Analyse ihres Trinkwassers in ihrem Briefkasten liegt. Seit ihr Vermieter 2013 in der Siedlung in Sachsenhausen Legionellen im Trinkwasser gefunden hat, leben die Bewohner der mehr als 200 Vonovia-Wohnungen in ständiger Unsicherheit. Denn die beweglichen, stäbchenförmigen Bakterien können schwerwiegende Lungenkrankheiten hervorrufen. Der bei Katharina Franz festgestellte Wert hat bisher bei jeder Überprüfung den dunkelrot gefärbten Bereich der Grenzwertetabelle des Umweltbundesamts übertroffen. Franz schaut noch mal, ob sie auch keine Ziffer zu viel gezählt hat. „Doch, stimmt leider, 12.500 koloniebildende Einheiten Legionellen“, sagt Franz, die ihren richtigen Namen aus Angst vor ihrem Vermieter, dem Dax-Konzern Vonovia, nicht veröffentlichen will.

Frankfurt: Hohe Kontamination des Wassers in Vonovia-Wohnungen

Das Gesundheitsamt Frankfurt spricht von einer „extrem hohen Kontamination“. Der bei Franz gemessene Wert übersteigt um das 125-fache die vom Umweltbundesamt als unbedenklich eingestufte Menge von 100 koloniebildenden Einheiten pro 100 Milliliter.

In Reaktion auf die Verseuchung forderte das Amt schon seit 2013 regelmäßige Untersuchungen, unverzügliche Schutzmaßnahmen „zur direkten Gefahrenabwehr“ und „eine Sanierung“. Die Forderung entspricht dem anerkannten Regelwerk des Deutschen Vereins des Gas- und Wasserfachs (DVGW). Um die direkte Gefahrenabwehr hat sich der Eigentümer zwar gekümmert: Die Vonovia hat Sterilfilter in den Duschen eingebaut, Desinfektionen durchgeführt und zumindest teilweise Armaturen ausgetauscht. Aber auch nach sieben Jahren warten die Bewohner noch immer auf eine nachhaltige Sanierung und ein Ende der Unsicherheit. „Die Notwendigkeit weiterer Sanierungsmaßnahmen wurde dem Betreiber immer wieder mitgeteilt“, heißt es dazu vom Gesundheitsamt Frankfurt.

Mieterin Franz und ihre Nachbarn werfen dem Unternehmen vor, auf Kosten ihrer Gesundheit zu sparen und eine Sanierung aufzuschieben. „Die Mieter hier leben zum Teil seit Jahren wie in einem Krisengebiet und es tut sich nichts“, sagt Franz. Sie ärgert, dass der börsennotierte Konzern – immerhin das größte und wirtschaftlich erfolgreichste Immobilienunternehmen Deutschlands – sich mit seinem Umgang mit der Corona-Krise brüste, aber die Bedrohung durch die Legionellen sieben Jahre lang hintangesetzt habe.

Kontaminiertes Wasser in Frankfurt: Duschen mit speziellen Sterilfiltern

Franz duscht sicherheitshalber nur mit den speziellen Sterilfiltern, die die Vonovia den Mietern gestellt hat. Sie hat Angst, die Legionärskrankheit zu bekommen – besonders, weil sie als Asthmatikerin zur Risikogruppe gehört. Laut Robert-Koch-Institut gilt es zwar als unbedenklich, das mit Legionellen verunreinigte Wasser zu trinken. Doch die Lungenkrankheit kann durch die Bakterien verursacht werden, wenn kontaminiertes Wasser fein zerstäubt wird und man die Aerosole einatmet. Entsprechend risikobehaftet ist das Duschen.

Bei einer sehr hohen Kontamination wie in Sachsenhausen kann laut DVGW auch schon Händewaschen oder Geschirrspülen am Waschbecken gefährlich sein. „Den Frankfurter Fall können wir nicht bewerten“, sagt Karin Gerhardy, DVGW-Hauptreferentin für Wasserqualität. „Grundsätzlich aber empfehlen wir, überall im Haushalt dort Filter einzubauen, wo eine Aerosolbildung besteht, da bei einer hohen Kontamination auch beispielsweise im Waschbecken an der Handbrause in der Küche eine Infektionsgefahr bestehen kann.“

Katharina Franz ist das gar nicht bewusst gewesen, wie sie sagt. Die Vonovia habe sie erst einige Wochen nach ihrem Einzug über die Existenz des Problems informiert und sie bis heute nicht richtig über die Gefahr im ganzen Haushalt aufgeklärt. Filter für die Küche habe ihr das Unternehmen nie bereitgestellt.

Kontamination des Wassers in Vonovia-Wohnungen in Frankfurt: Sanierung empfohlen

Der Brief vom Vonovia-Kundenservice, in dem ihr auch der Grad der Kontamination mitgeteilt wurde, kann Mieterin Franz kaum beruhigen – im Gegenteil. „Ihre Gesundheit liegt uns sehr am Herzen. Wir arbeiten weiterhin mit Hochdruck an der Mängelbeseitigung“, schreibt Lars Krüger, der die Betreuung der Bestandskunden in Hessen für die Vonovia leitet. Für Franz klingt das wie Hohn.

„Anhand der uns vorliegenden Ergebnisse ist von einer extremen Vermehrung [der Legionellen, Anmerkung des Autors] in Leitungen und Anlagen der Vonovia auszugehen“, schreibt das Gesundheitsamt auf Nachfrage dieser Zeitung. Doch bisher hat das Gesundheitsamt laut eigener Auskunft keine Strafen gegen die Vonovia verhängt, obwohl die Gesundheitsämter gemäß der Trinkwasserverordnung bei fahrlässigem Umgang mit Legionellen Geldstrafen in Höhe von bis zu 50 000 Euro einfordern können. „Nach den technischen Regeln des DVGW wird eine Sanierung bei derart hohen Belastungen empfohlen“, sagt Karin Gerhardy vom DVGW.

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Kleinere Maßnahmen haben das Problem in den Sachsenhäuser Blocks nicht dauerhaft gelöst.

© Oeser

Klarer drückt sich das DVGW-Regelwerk selbst aus, indem im „Arbeitsblatt W 551“ eine „weitreichende Sanierung“ bei gleichbleibend hohen Werten als „unumgänglich“ beschrieben wird. Aus Sicht von Gerhardy würden Sterilfilter und Desinfektionsmaßnahmen zu oft als Ersatz für wirkliche Sanierungen geduldet. „Bei kurzfristigen Lösungen wird das Infektionsrisiko auf Dauer nicht beseitigt“, sagt sie.

Bewohner in Frankfurt entsetzt: Vonovia täusche Gesundheitsamt mit billigen Reparaturen

Das Gesundheitsamt Frankfurt sieht keinen Anlass zu Sanktionen, da die Vonovia „bereits einige Maßnahmen umgesetzt“ habe „und weitere Maßnahmen kurz vor der Umsetzung“ stünden, wie es in der Antwort des Amts auf die Anfrage dieser Zeitung heißt.

Derweil wächst der Unmut der Mieter in Sachsenhausen. Das Gesundheitsamt lasse sich von der Vonovia mit „kurzfristigen Lösungen und billigen Reparaturen“ täuschen, sagt Franz. Gut ein Dutzend Mieter der Siedlung haben sich in einer „Aktivengruppe“ der „Initiative für eine Mietergewerkschaft e. V.“ in der Mörfelder Landstraße organisiert. Nicht nur der Wohnungskonzern, auch das Amt handle fahrlässig, so der Vorwurf. „Das ist ein Skandal, der am Ende vielleicht Leben kostet“, sagt Daniel Schultz, der Vorstandsmitglied des Vereins ist, der sich 2019 in Frankfurt gegründet hat.

Anfang August reagierte die Vonovia in einem Brief an die Mieter der Mörfelder Landstraße auf die Forderung der Mietergewerkschaft. Man wolle den Bewohnern die Verunsicherung nehmen, die durch die Mietergewerkschaft entstanden sei, heißt es in dem Schreiben. Im Brief verspricht die Vonovia für die Hausnummern 132–186 eine neue Heizungsanlage. Die Kosten dafür sollen laut dem Unternehmen als energetische Sanierung zum Teil als Modernisierungskosten auf die Mieten umgelegt werden. Die alte Anlage solle saniert werden und den Rest der Siedlung mit Wasser versorgen. Wann die Arbeiten beginnen, könne die Vonovia erst mitteilen, wenn „die technische Planung und die Ermittlung der Kosten abgeschlossen“ seien.

Frankfurt: „Kleiner Erfolg“ der Mietergewerkschaft gegen Vonovia-Konzern

Daniel Schultz wertet das Schreiben der Vonovia als „kleinen Erfolg“ der Mietergewerkschaft. Frühere Beschwerden von Mietern und selbst einen offenen Beschwerdebrief von 74 Mietern im November, in dem „sofort ordentliche und sachgemäße Reparaturmaßnahmen“ gefordert wurden, hatte die Vonovia bis Juni ignoriert. Die Mieterinitiative hatte für alle Betroffenen eine „Minderung der Kaltmiete um 25 Prozent als Entlastung“ gefordert.

Nach öffentlicher Kritik von Mietaktivist Schultz auf der Online-Hauptversammlung der Vonovia Ende Juni hatte der Vorstandsvorsitzende Rolf Buch im Fall der Mörfelder Landstraße „Mietminderungen für unsere Kunden je nach Beeinträchtigung“ zugesichert. Laut Schultz ist das bisher jedoch in keinem Fall geschehen. „Wir wollen vor allem auch, dass endlich saniert wird, und Transparenz, woher das Problem eigentlich kommt“, sagt Schultz. Auch gegenüber dieser Zeitung machte Vonovia Pressesprecherin Panagiota-Johanna Alexiou dazu keine Angaben. „Wir haben in den vergangenen Jahren immer wieder Maßnahmen durchgeführt, nur waren die leider nicht erfolgreich“, sagt die Pressesprecherin auf Anfrage. Mieteraktivist Schultz befürchtet hingegen, dass die neueste Ankündigung von Sanierungen nur ein „weiteres Spielchen“ der Vonovia sein könnte.

Viele Mieter sind es auch leid, sich immer wieder freizunehmen, um Handwerker ins Haus zu lassen, wenn eine Trinkwasseranalyse ansteht. Familienvater Peter Tillich wohnt seit vier Jahren in der Mörfelder Landstraße und muss in Sachen Legionellen regelmäßig Urlaub nehmen. Eigentlich fühlt er sich wohl. „Aber bei den Legionellenwerten weiß ich ehrlich gesagt nicht, ob man in den Wohnungen noch leben kann“, sagt er.

Gesundheit gefährdet durch kontaminiertes Wasser in Vonovia-Wohnungen

Tillich, der in Wirklichkeit anders heißt, sorgt sich besonders um die Gesundheit seiner beiden Kinder. „Die Sterilfilter in der Dusche schützen uns nicht in der Küche“, sagt er. Bei ihm seien die Filter schon nach drei Wochen abgenutzt und so verstopft, dass er kaum noch duschen könne. „Eigentlich müssten die Filter mindestens jeden Monat ausgetauscht werden statt alle vier Monate“, findet er.

Mit der Meinung steht er nicht allein: Auror Beka, der als Berater für Legionellenprobleme bei der aqua-concept GmbH arbeitet, bestätigt: Duschfilter verstopfen auf Dauer mechanisch, dadurch stehe mehr Wasser in den Leitungen, sodass die Bakterien erst recht aufkeimten. Aqua-concept vertreibt Sterilfilter und berät Eigentümer bei Legionellen. „Wenn die Filter nicht regelmäßig erneuert werden, verschärft sich das Problem“, sagt Beka. Bei einer derart hohen Belastung wie in der Mörfelder Landstraße sei es nicht angemessen, die Filter nur alle vier Monate zu wechseln. „Überhaupt sollte nach sieben Jahren schon längst saniert worden sein“, urteilt Beka.

Mieter Peter Tillich hält auch die Informationspolitik des Konzerns für skandalös. Als er damals in die ehemalige Arbeitersiedlung gezogen sei, habe die Vonovia ihn nicht über die Legionellen informiert, obwohl das Problem bekannt gewesen sei. „Erst nach ein paar Monaten kam ein Brief. Vorher wusste ich überhaupt nicht, dass ich mich schützen muss.“

Er spricht davon, den Konzern zu verklagen, befürchtet aber, dann seine Wohnung zu verlieren. An einen Anwalt hat er sich noch nicht gewendet. Er will den Rechtsstreit nur gemeinsam mit Mitstreitern wagen. „Alle auf einmal können sie uns nicht kündigen“, sagt er. (Von Jan Schroeder)