"Wir messen uns lieber an eingesparten Badewannen voll

Bei Tenetrio dreht sich alles um insektenbasiertes Hundefutter. “Wir führen inzwischen drei Sorten Alleinfutter und vier Sorten Leckerlis in unterschiedlichen Geschmacksrichtungen und Varianten. Auch wenn wir uns noch in einem Nischenmarkt befinden, merken wir, dass das Interesse steigt”, sagt Sabrina Jaap, die das Startup gemeinsam mit Ina Henkel und Katrin Figueroa gegründet hat. Derzeit wirken vier Mitarbeiter:innen für Tenetrio.

Dennoch lief nicht alles rund bei der Jungfirma, die im brandenburgischen Teltow sitzt. “Nach einem guten Start mit einer Fremdfinanzierung ist uns im Jahr 2020 eine Finanzierungsrunde kurzfristig geplatzt. Das hat uns natürlich einige Sorgen bereitet. Dieser temporäre Tiefpunkt ist letztlich erfreulich gut ausgegangen durch einen anderen starken Partner”, berichtet Tenetrio-Macherin Jaap. Im Interview mit deutsche-startups.de spricht Jaap zudem über Aufmerksamkeit, Badewannen und Einstellungsprozesse.

Wie würdest Du Deiner Großmutter Tenetrio erklären?Als meine Großmutter jung war, gab es einmal die Woche Sonntagsbraten. Das war meist die einzige Fleischmahlzeit der Woche. Heute ist Fleisch allerdings viel billiger und die Weltbevölkerung wächst gleichzeitig – es wird also auf der Welt viel mehr Fleisch gegessen als noch vor 50 Jahren. Außerdem gibt es immer mehr Hunde, die ebenfalls einen großen Anteil am Fleischkonsum haben. Nun macht uns dieser steigende Fleischkonsum einige Probleme: Ganz abgesehen von der ethischen Frage der Massentierhaltung bedeutet er einen enormen Verbrauch an Wasser, ist verantwortlich für einen Großteil schädlicher Treibhausgase und führt durch Inanspruchnahme von großen Flächen dazu, dass andere pflanzliche Produkte nicht angebaut werden können und somit Menschen auf der Erde hungern müssen. Es gibt zwei Wege aus diesem Dilemma: weniger Fleisch essen oder das Fleisch durch Alternativen ersetzen. Beides ist nicht nur gut für den Planeten, sondern auch gut für die Gesundheit. Tenetrio geht einen dieser Wege und zwar mit insektenbasiertem Hundefutter. Das ist nachhaltig, gut verträglich und versorgt den Hund obendrein mit allem, was er braucht.

Hat sich das Konzept, das Geschäftsmodell, in den vergangenen Jahren irgendwie verändert?Anfangs haben wir die Mehlwurmlarven – Tenebrio molitor – selbst gezüchtet – das schaffen wir mittlerweile kapazitär nicht mehr, so dass wir künftig ausschließlich auf ausgewählte, möglichst regionale, Lieferanten setzen werden. Seit unserer Gründung haben wir unsere Produkte über unsere Webseite vertrieben, unterstützt durch lokale Partner, die unser Futter bei sich im Laden verkaufen. Dieses Netzwerk an Partnern möchten wir künftig gerne ausbauen. Diese Erweiterung war mit ein Grund für uns, einen größeren Fokus auf PR und Marketing zu legen, um uns und unsere Geschäftsidee bekannter zu machen. Insektenbasiertes Hundefutter verdient einfach mehr Aufmerksamkeit!

Wie genau funktioniert euer Geschäftsmodell?Wir produzieren und vertreiben insektenbasiertes Hundefutter. Die Produktpalette reicht vom Nassfutter über Trockenfutter hin zu Leckerlis in verschiedenen Ausführungen und Geschmacksrichtungen für Junghunde und erwachsene Hunde. Bei uns wird jeder fündig, der nach einem nachhaltigen und gut verträglichen Hundefutter sucht, das seinen Hund mit allem versorgt, was dieser für ein vitales Leben braucht. Wir schauen nicht nur genau hin, was als Fleischersatz in unserem Futter landet, sondern auch auf die restlichen Zutaten. Wir verzichten auf Zucker, Gluten, Farbstoffe und Geschmacksverstärker in unserer Hundenahrung. Bei der Auswahl der Inhaltsstoffe sind wir deshalb sehr genau, ebenso bei der Auswahl der Lieferanten. Es ist uns außerdem wichtig, transparente Produktionsbedingungen und kurze Lieferketten zu fördern. Nachhaltigkeit wollen wir immer ganzheitlich denken – ökologisch, ökonomisch und sozial.

Die Corona-Krise traf die Startup-Szene zuletzt teilweise hart. Wie habt ihr die Auswirkungen gespürt?Anfangs haben auch wir eine Zurückhaltung der Verbraucher gespürt, das hat sich aber erfreulich erholt und in der zweiten Jahreshälfte 2020 haben sich die Verkäufe dann auch im Vergleich zum Vorjahreszeitraum deutlich gesteigert. Insofern sind wir gut durch die Corona-Krise gekommen und hoffen, dass es nun so positiv weitergehen kann.

Wie ist überhaupt die Idee zu Tenetrio entstanden?Meine Mitgründerinnen, Ina Henkel und Katrin Figueroa, hatten auf einer ernährungswissenschaftlichen Forschungsreise nach Asien im September 2015 das erste Mal Kontakt zu essbaren Insekten. Dort sind Insekten fest auf dem Speiseplan etabliert und gehören zum gängigen Bild jedes Marktes. In Asien sind die gesundheitlichen Vorteile dieser Proteinquelle schon lange bekannt, so dass es es keine Vorbehalte oder Abneigungen gegenüber Insekten als Lebensmittel gibt. Meinen Kolleginnen wurde klar, dass Insekten eine Lösung für das Problem des wachsenden Fleischkonsums auf unserem Planeten sein können. Als sie mich mit ins Boot holten und mir von ihrer Idee erzählten, war ich ebenso überzeugt vom Potenzial dieser Idee – persönlich und als Wirtschaftswissenschaftlerin. Also haben wir Tenetrio gegründet und mit Tierärzten zusammen unsere ersten Produkte für Hunde entwickelt.

Wie hat sich Tenetrio seit der Gründung entwickelt? Zunächst einmal hat sich unsere Produktpalette seit 2017 deutlich vergrößert. Wir führen inzwischen drei Sorten Alleinfutter und vier Sorten Leckerlis in unterschiedlichen Geschmacksrichtungen und Varianten. Auch wenn wir uns noch in einem Nischenmarkt befinden, merken wir, dass das Interesse steigt: Wir waren in den letzten Monaten im Radio und in TV-Produktionen des RBB und bei n-tv zu Gast, durften Interviews mit deutschen und österreichischen Tageszeitungen geben. Die Bestellungen und Zugriffe auf der Webseite haben nicht zuletzt deshalb stetig zugenommen. Wir hoffen, so auch in Zukunft unseren Teil dazu beizutragen, dass das Potenzial von Insekten als Nahrungsmittel öffentlich wahrgenommen wird. Dass die EU nun den gelben Mehlwurm zum ersten Mal als Nahrungsmittel zugelassen hat, stimmt uns sehr optimistisch.

Nun aber einmal Butter bei die Fische: Wie groß ist Tenetrio inzwischen?Wir sind vier Mitarbeiter*innen und arbeiten im Bereich Logistik, Online-Marketing, Webseite und Kommunikation eng mit externen Partnern zusammen. Als nachhaltiges Unternehmen messen wir uns lieber an eingesparten Badewannen voll Wasser als am Umsatz. Davon haben wir in 2020 eine Million geschafft. Diesen Effekt wollen wir in den nächsten zwei Jahren um den Faktor 10 steigern. Unsere liebsten Kennzahlen sind die, die sich direkt positiv auf die Welt auswirken: Zusammengefasst wurden von der Markteinführung 2017 bis heute durch den Kauf unseres Futters 167 Millionen Liter Wasser, 30 Tonnen CO2 und 10 Tonnen Fleisch eingespart.

Blicke bitte einmal zurück: Was ist in den vergangenen Jahren so richtig schief gegangen? Nach einem guten Start mit einer Fremdfinanzierung ist uns im Jahr 2020 eine Finanzierungsrunde kurzfristig geplatzt. Das hat uns natürlich einige Sorgen bereitet. Dieser temporäre Tiefpunkt ist letztlich erfreulich gut ausgegangen durch einen anderen starken Partner. Ein weiteres Learning bezieht sich auf den Bereich der Zusammenarbeit im Unternehmen: Wir mussten anfangs erst lernen, worauf wir bei der Einstellung von Mitarbeiter*innen und beim Engagieren externer Berater wirklich achten müssen. Wenn da alles passt, ist nicht nur die Zusammenarbeit viel angenehmer, sondern auch die Ergebnisse sind um Längen besser.

Und wo hat Ihr bisher alles richtig gemacht? Besonders stolz sind wir auf die Zusammenarbeit und den Zusammenhalt in unserem Team. Wir haben unseren Einstellungsprozess umgestellt sowie neue externe Partner gefunden und sind glücklich, so ein starkes Team gewonnen zu haben, das sich mit uns und unseren Produkten voll identifizieren kann. Außerdem sind wir alle gnadenlose Optimist*innen und haben immer fest an den Erfolg von Tenetrio geglaubt. Dass wir keine Kompromisse bei der Qualität machen und immer an unseren Wertvorstellungen festhalten, ist etwas, was unsere Kund*innen überzeugt. Für die Zukunft wollen wir diese beiden Aspekte gerne intensivieren und in größerem Maße aktiv in Organisationen tätig werden, die sich für Inspiration, Geschäftsentwicklung und Netzwerken rund um nachhaltiges Unternehmertum einsetzen.

Wo steht Tenetrio in einem Jahr?Unser fest gestecktes Ziel für 2022 ist es, profitabel zu werden. Wir möchten unser Deutschland- und Europa-Geschäft weiter ausbauen und weitere motivierte Mitarbeiter im Bereich Online-Marketing und E-Commerce einstellen. Außerdem möchten wir die Kommunikations- und Marketingoffensive ausweiten, denn was wir uns zuallererst wünschen, ist es, einen Beitrag zum Umdenken zu leisten.

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Foto (oben): Tenetrio