Pferdemetzger Beerwart macht nur noch Tierfutter

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Waiblingen

Noch gibt es ein Grundsortiment für menschliche Kunden: Heidemarie Beerwart an der Verkaufstheke im Ameisenbühl. © Kölbl / ZVW

Waiblingen. Fleischkäse oder Salami vom Pferd gibt es bald nicht mehr. Die traditionsreiche Waiblinger Pferdemetzgerei Beerwart stellt im nächsten Monat vollständig auf Produktion und Verkauf von Tiernahrung um. Grund sind die immer komplexeren Vorschriften und die hohe Arbeitsbelastung.

Auf vier Märkten stand Heidemarie Beerwart wöchentlich, um Fleisch und Wurst aus eigener Produktion unter die Leute zu bringen. Dazu der Laden im Ameisenbühl, gleich neben der Schlachterei. Seit Rolf Beerwart vergangenen Sommer nach schwerer Krankheit gestorben ist, war die Inhaberin eigentlich permanent am Arbeiten, ein 14-Stunden-Tag war die Regel.

Zeit für die 65-Jährige, etwas grundsätzlich am Traditionsbetrieb zu ändern, der schon viel länger zu Waiblingen gehört als etwa der B-14-Teiler oder das Wohngebiet Korber Höhe. Die Nachfrage nach Tiernahrung wächst, der Aufwand dafür ist kleiner, die zeitintensiven Marktbesuche fallen weg. Statt mit 90 verschiedene Wurstsorten für die anspruchsvolle menschliche Kundschaft geben sich Hund und Katze mit weitaus weniger Auswahl zufrieden.

Kranke Vierbeiner sollen mit Pferdefleisch gesund werden

Es wird eine spürbare Entlastung auch für Schlachtermeister Lars Arnold bedeuten. Denn das komplette Sortiment ist – anders als in anderen Metzgereien, die Ware aus dem Großhandel zukaufen – hausgemacht. Und zwar im Alleingang, seit Rolf Beerwart krank wurde und ein angestellter Metzger eine andere Stelle in der Nähe seines Wohnorts im Schwäbischen Wald fand. Das Aus steht für die seit 1946 bestehende Pferdemetzgerei – eine der letzten ihrer Art – noch nicht auf der Tagesordnung. Nachfolge in der Familie steht zwar nicht bereit. Ans Aufhören denkt Heidemarie Beerwart jedoch noch nicht – und will weitermachen, solange die Gesundheit mitmacht.

„Ich kann den Betrieb doch nicht fallenlassen.“ Zwiespältige Gefühle hegt sie angesichts der Umstellung. „Einerseits werden wir viele Kunden verlieren, andererseits freut es mich für die Tiere, denen wir helfen können.“ Gemeint sind Hunde und Katzen, die Schweine- und Rindfleisch nicht vertragen und auf solche Produkte allergisch reagieren. Durch die Ernährung auf Pferdefleisch-Basis seien schon viele Zweibeiner in kurzer Zeit wieder genesen – ganz ohne Medikamente. Bei der Tiernahrung gibt es künftig neue Produkte im Angebot.

"Man kann doch auch als Schlachter Respekt vor Tieren haben"

Fünf bis sechs Pferde werden wöchentlich verarbeitet. Sie werden von Besitzern aus dem Umkreis von rund 100 Kilometern gebracht, sofern der Tierarzt das Einverständnis gibt. Längere Transporte lehnt der Betrieb ab. Tierliebe wird groß geschrieben bei Beerwart – auch wenn das vielen paradox vorkommt. „Man kann doch auch als Schlachter Respekt vor Tieren haben“, sagt die Inhaberin. Als erste Pferdemetzgerei Deutschlands bekamen Beerwarts 1998 einen Tierschutzpreis von der Deutschen Vereinigung zum Schutz des Pferdes. Angeliefert werden vor allem knochenkranke Tiere, etwa mit unheilbarer, schmerzhafter Arthrose oder irreparablen Brüchen – nicht mit organischen Krankheiten wie Krebs.

Wer Pferdefleisch kauft, könne sich sicher sein, dass das Tier ein würdiges Leben hatte, denn für Mastbetriebe und Massentierhaltung eigneten sich Pferde nicht. Dieser Umstand und dazu Skandale wie um BSE haben der kleinen Metzgerei ernährungsbewusste Kunden zugeführt, die nach Alternativen suchten. Der Ruf des Arme-Leute-Essens gehört der Vergangenheit an. Stattdessen hat sich der Familienbetrieb Anerkennung in der Ökoszene der Region erworben. Heidemarie Beerwart selbst wird unter dem Ende des Verkaufs für Zweibeiner zu knapsen haben. Schwein, Rind und Geflügel kommen ihr nicht auf den Teller.

Seit 1946

Die Pferdemetzgerei Beerwart wurde im Jahre 1946 von Ilse Lux, geborene Beerwart, gegründet. Über mehrere Generationen hinweg führte die Familie Beerwart ihren Betrieb inmitten der Waiblinger Innenstadt.

Wegen der beengten Platzverhältnisse und mangels Entwicklungsmöglichkeiten entschlossen sich Rolf und Heidemarie Beerwart zum Umzug. Seit 1994 befindet sich der Schlachthof im Gewerbegebiet Ameisenbühl.