Fressnapf-Gründer Toeller gibt CEO-Job auf : Das Geheimnis des Fressnapf-Erfolgs

1989 schickte sein Arbeitgeber den gerade 23-Jährigen in die USA, wo er sich nach für Europa geeigneten Einzelhandelsformaten umsehen sollte. Pet Smart, eine in den Staaten weitverbreitete Tierbedarfskette, weckte Toellers Interesse. Wieder zu Hause, präsentierte er seinen Vorgesetzten ein vergleichbares Projekt für Deutschland. Doch der engagierte junge Mann stieß auf einhellige Ablehnung. "Solche Futterbuden will in Deutschland niemand", bekam er zu hören. Schon bald nach diesem frustrierenden Erlebnis kündigte Toeller bei Markant. Er wollte Unternehmer werden.

Alles falsch gemacht, was man falsch machen konnte

Doch als er für seine aus den USA importierte Geschäftsidee eine Anschubfinanzierung suchte, wurde er auch von den meisten Kreditinstituten abgewiesen. Nur die Volksbank Erkelenz gab ihm Geld – 150.000 Mark. Hinzu kamen 50.000 Mark von Toellers Eltern, die an ihren Sohn und dessen Projekt glaubten.

Sein erstes Geschäft machte er 1990 im rheinischen Erkelenz auf – und dabei "alles falsch, was man falsch machen konnte" (Toeller). Zwar schätzten die Kunden, die er fast alle mit Namen kannte, seine fachliche Beratung. Doch sein Angebot glich allzu sehr dem der Supermärkte – und war viel teurer.

Mit lediglich ein paar Hundert Mark Tagesumsatz schien dem Start-up ein baldiges Ende beschieden zu sein. Also überarbeitete Toeller sein Geschäftsmodell. Er stockte das Sortiment um die Hälfte auf 6500 Artikel auf, senkte die Preise und blieb seinem Beratungsangebot treu. Fast Tag und Nacht stand er im Laden. Binnen eines Jahres gelang es ihm, den Umsatz zu verfünffachen.

Er wusste, dass er nur über eine weitere Erhöhung der Verkaufsmenge seine Kosten decken und gleichzeitig Gewinn machen konnte. Da ihm das Geld für die Eröffnung von Filialen fehlte, verfiel er auf ein Franchisemodell. 1995 gab es 50 Fressnapf-Märkte, 1999 waren es bereits 250. Von den heute 866 Läden in Deutschland sind 726 in der Hand selbstständiger Franchisenehmer.

Inzwischen hat Fressnapf halb Europa aufgerollt. Das Unternehmen finanziert die Expansion aus dem Cashflow und ist deshalb nicht mehr auf die Gewinnung von Franchisern angewiesen. Außerhalb des Heimatmarktes betreibt Fressnapf nur eigene Filialen, 500 zwischen Irland und Polen, zwischen Dänemark und Italien.

Doch in kaum einem anderen Land sind die Heimtierfreunde bereit, so viel für ihre Hausgenossen zu tun wie in Deutschland. Eine Umfrage unter Payback-Karteninhabern ergab, dass die meisten Hunde- und Katzenbesitzer eher ihren Partner vor die Tür setzen würden als ihr Tier.

Dass die Deutschen die größte Wertschätzung für ihre tierischen Freunde haben, zeigt sich laut Einkaufs- und Marketingchef Alfred Glander (53) allein schon bei der Nahrung. Die Zeiten, in denen Hunde und Katzen mit Dosenfutter in ein paar wenigen Geschmacksvarianten abgefüttert wurden, sind längst vorbei.

Heute gibt es bei Fressnapf altersgerechte Spezialnahrung für Hunde- und Katzenbabys, für heranwachsende und betagte Tiere, getreide- und laktosefreies Futter für den allergischen Vierbeiner und vitaminschonend kaltgepresste Produkte. Wenn bioorientierte Halter ihre Hausgenossen nicht schlechter ernähren wollen als sich selbst, können sie nach Demeter-Prinzipien erzeugte Kost der Marke Defu erwerben. Lediglich den Wunsch nach veganem Futter für Hund oder Katze erfüllt der Händler mit Rücksicht auf die geborenen Fleischfresser nicht.

Exklusive Feinschmeckerkost für die Vierbeiner

Gut kommt bei den Vierbeinern hingegen die Feinschmeckerkost an, die eine Solinger Manufaktur nach Rezepturen von Fernsehköchin Cornelia Poletto zubereitet. Das Futter wird unter der Marke "Hardys Traum" exklusiv über Fressnapf vertrieben.

Neben solchen Herstellermarken setzt die Handelskette vor allem auf Private Labels – sowohl auf Discountlevel als auch im mittel- und hochpreisigen Bereich. Schließlich bringen Erzeugnisse unter eigenen Namen am meisten Gewinn. Zugleich sollen die Produkte höchste Qualitätsansprüche erfüllen – und vor allem den Tieren schmecken.

Fressnapf-Gründer Toeller gibt CEO-Job auf : Das Geheimnis des Fressnapf-Erfolgs

Fressnapf lässt deshalb von spezialisierten Dienstleistern sogenannte Blindverkostungen durchführen – etwa wenn ein neues Futter kreiert oder eine Rezeptur verändert werden soll. Den Tieren werden in den Versuchsanordnungen jeweils zwei Alternativen angeboten, oft auch ein Konkurrenzprodukt. Wie schnell sich die Testfresser dem einen oder anderen Napf zuwenden und wie viel sie von der jeweiligen Sorte vertilgen, wird penibel gemessen.

Solchen Prüfungen wurde auch das Label Moments unterzogen, die Spitzenmarke für Katzen. Entschuldigungsleckerbissen ("Sorry") beruhigen das menschliche Gewissen, falls das alleinerziehende Herrchen oder Frauchen wieder einmal zu spät nach Hause kommt – zum stattlichen Preis von gut einem Euro für 70 Gramm "schonend gegarten, edlen Pazifiktunfisch". Überraschungseier für Kinder sind billiger zu haben.

Toeller ist von der Qualität seines Topprodukts so eingenommen, dass er eines Tages zu Hause eine Pizza damit belegte und sie seinen Kindern kredenzte. Erst hinterher erfuhren sie, was sie begeistert gegessen hatten. Auch den mm-Reporter drängt er zu einer Kostprobe. Nicht übel, der Tunfisch, nur nachwürzen müsste man – Tierkost ist völlig salzlos.

Der Chef erweist sich als Überzeugungstäter. Da er die eigentlichen Konsumenten nicht direkt ansprechen kann, muss er die Käufer bei ihrer Bereitschaft packen, dem Tier vermeintlich Gutes zu tun. Dabei helfen nicht nur gefühlsduselige Feste wie Weihnachten, sondern auch der Nikolaustag. Statt "Stiefel raus" hieß es in den Geschäften "Näpfe raus – Nikolaus". Tierbesitzer wurden aufgerufen, mit Futterschüsseln in die Läden zu kommen und sie kostenlos füllen zu lassen – um sie dann am Morgen des 6. Dezember ihren Lieblingen vorzusetzen.

Das mutet sehr nach übermäßiger Vermenschlichung an. Ein Wort, das Marketinggeschäftsführer Glander ebenso wenig gelten lässt wie Unternehmensgründer Toeller.

Bei manchem Produkt allerdings schoss Fressnapf schon über ein gesundes Maß an Tierliebe hinaus. Bis 2012 bot die Firma unter dem Namen "Schwanzwedler" Oktoberfestbier für Hunde an – alkoholfrei zwar, dafür schön schäumend. Eine Gaudi für die Halter, für die Tiere hingegen nutzlos, wenngleich unschädlich. Inzwischen wird das Gebräu aus Malz und Rinderbrühe nicht mehr verkauft. Weiter erhältlich sind jedoch Halsbänder mit Strassbesatz, die einen Hund nicht attraktiver machen – aber die Eitelkeit der Besitzer befriedigen und dem Unternehmen gutes Geld verschaffen.

Hilfe in allen Lebenslagen

Dem Gewinnstreben dienen in besonderer Weise die Maßnahmen zur Kundenbindung. Sie lehnen sich zum Teil stark an die Angebote an, die jungen Eltern gemacht werden. Wie Babykost- oder Windelhersteller verschenkt Fressnapf Willkommenssets für Hundekinder, deren Besitzer als Mitglieder des hauseigenen Welpenclubs begrüßt werden. Auf diese Weise kommt der Händler an die Adressen der Halter und kann sie über das gesamte Tierleben mit Produktinformationen oder Erziehungstipps eines renommierten Hundetrainers begleiten.

Dasselbe Ziel hat die Ausgabe der Payback-Karte mit Hunde- und Katzenmotiv. Schon heute, drei Monate nach der Einführung des Systems, laufen bei Fressnapf 50 Prozent der Umsätze über die Karte. Die Kundenzeitschrift "Fressnapf-Journal", ein Online-Newsletter und ein Social-Media-Beauftragter, der Postings bei Facebook auswertet und beantwortet, decken alle Altersklassen von Interessenten ab.

Mit Hundesalons (Fellini) und Tierarztpraxen (Activet) bietet Fressnapf fast eine Rundumfürsorge. Zwei Adoptierstuben vermitteln Tierheimbewohner an neue Besitzer. In Zusammenarbeit mit einem Assekuranzunternehmen werden zudem Haftpflicht- und Krankenversicherungen fürs Tier angeboten.

Noch nicht besonders weit ist Fressnapf mit einem wirklichen Cross-Channel-Angebot zwischen Läden und E-Commerce. Dass im Internet bestellte Ware in den Läden abgeholt wird oder Retouren in den Geschäften abgegeben werden, kommt bislang nur in geringem Ausmaß vor.

Das liegt einerseits daran, dass die IT einem solchen anderswo bereits gängigen Handling lange Zeit nicht gewachsen gewesen wäre, andererseits daran, dass es in einem Franchisesystem stets einen potenziellen Konflikt zwischen selbstständigen Ladenbetreibern und der Zentrale gibt – die schließlich ihren Partnern mit dem Internetshop Konkurrenz macht.

Toeller will seine Franchiser künftig mit einem fein austarierten Modell an den Umsätzen teilhaben lassen, die mit Onlinebestellern im jeweiligen Einzugsgebiet der Ladeninhaber erwirtschaftet werden. Und auch die IT hat das Unternehmen 2015 mit einem gleichermaßen finanziellen wie arbeitsmäßigen Kraftakt an die digitale Zukunft angepasst.

Derzeit setzt Fressnapf übers Netz nur etwa 50 Millionen Euro im Jahr um – nicht einmal 3 Prozent vom Gesamtumsatz. Dass dieses Geschäft bisher eher verhalten lief, hatte mit dem Logistikdienstleister zu tun. Der zur Otto-Gruppe gehörende Versender Baur konnte nicht gewährleisten, dass die Kunden binnen zwei Tagen ihre Bestellungen erhielten. Daraufhin kündigte Fressnapf den Vertrag mit Baur per Mitte 2015, arbeitet seitdem mit der Bertelsmann-Tochter Arvato zusammen – und plötzlich klappt der Versand.

Die rasche Expansion und all die Umstellungen der jüngsten Zeit hätte das Unternehmen kaum so gut verkraftet, wenn Fressnapf nicht ein besonders gutes Verhältnis zu seinen Mitarbeitern hätte. Viele sind hoch motiviert, weil sie selbst Tiere halten. Und alle dürfen ihre Hunde oder Katzen mit in die Firma bringen. So tummeln sich werktäglich 60 bis 80 Vierbeiner in der Zentrale. Bedingung ist nur, dass sie sich als sozial verträglich erweisen. Aber das wird ja schließlich auch von den Beschäftigten erwartet.