Das Elend der Straßenkatzen muss ein Ende haben - Metropoljournal.com

Das Elend der Straßenkatzen muss ein Ende habenDas Elend der Straßenkatzen muss ein Ende haben - Metropoljournal.com

26. März 2021

- Veröffentlicht in Mannheim

pixabay

Mannheim. Sie vegetieren auf verwilderten Gartengrundstücken, verstecken sich in verlassenen Fabrikgeländen oder auf Friedhöfen - die vergessenen Katzen Mannheims. Die Nachkommen von nicht kastrierten oder ausgesetzten Hauskatzen sind oftmals krank, blind, unternährt oder verletzt. Als domestizierte Haustiere sind diese Geschöpfe nicht mehr in der Lage, sich und ihre Nachkommen vollständig alleine zu versorgen. Für ihr Schicksal interessiert sich kaum jemand, obwohl sie auf die Hilfe der Menschen angewiesen sind. Nur eine Handvoll Mannheimer Tierschützer versorgt die Samtpfoten täglich mit Futter - auf eigene Kosten oder mit Hilfe von anderen Vereinen. So wird noch schlimmeres Leid verhindert. Es gibt aber auch einen zweiten Weg, die Not der Streuner einzudämmen: eine Katzenschutzverordnung der Stadt könnte das Problem der ungezügelten Vermehrung lösen. Jede freilaufende Fellnase müsste nur kastriert und gekennzeichnet werden. Eine Herkulesaufgabe bei geschätzten 500 wilden Tieren und einer noch höheren Anzahl von Hauskatzen, deren Halter sich das Geld für eine Kastration sparen wollen. Zum wiederholten Mal fordern jetzt Grünen und die Tierschutzpartei im Stadtparlament vom Dezernat Sicherheit und Ordnung einen Aktionsplan. Doch die bürokratischen Hürden für die Hilfe sind hoch.Und die nächste Generation bemitleidenswerter Kätzchen kommt demnächst auf die Welt. Eine einzige, nicht kastriert ausgesetzte Katze kann in einem Jahr für 30 Nachkommen sorgen. Sobald diese Tiere im nächsten Frühjahr geschlechtsreif sind, bekommen sie wieder mindestens vier Welpen. Obwohl viele davon im Straßenverkehr, durch Krankheiten oder bei Misshandlungen sterben, wächst das Tierelend ständig weiter. Eine Katzenschutzverordnung bringt auch Vorteile für Hauskatzen, die Auslauf genießen. Sind sie kastriert, verringert sich der Bewegungsradius um ihr Zuhause, was die Wahrscheinlichkeit z. B. im Straßenverkehr zu verunglücken deutlich senkt. Eine andere Sorge nimmt Tierarzt Dr. Franz Bertl Hauskatzenbesitzern: „Kastrierte Katzen verhalten sich genauso lebensfroh und munter wie unkastrierte, negative gesundheitliche Konsequenzen sind nicht zu erwarten", sagt der Befürworter einer Katzenschutzverordnung. Warum also sperrt sich die Kommune so vehement gegen eine Katzenschutzverordnung wie sie in Nachbarstädten Viernheim, Worms, Lampertheim oder Lorsch längst verabschiedet und in Weinheim und Heidelberg auf bestem Weg ist? Die Gründe sind vielfältig und werfen ein schlechtes Licht auf manch offizielle Stelle. Zum einem liegt die Blockade offensichtlich daran, dass eine lückenlose Dokumentation - auch der tot aufgefundenen Katzen, die nicht kastriert und nicht gekennzeichnet sind - einen erschreckend hohen Bestand darstellen würde - Kastrationskosten inbegriffen. Der Mannheimer Tierheimleiter Herbert Rückert fordert deshalb so schnell wie möglich eine Katzenschutzverordnung, um die ständig wachsende Population von Streunerkatzen zielgerichtet einzudämmen. Sein Tierschutzverein jedenfalls sei bereit, die notwendigen Einfangmaßnahmen und Kastrationen durchzuführe Dass ausgerechnet jetzt die Stadtverwaltung Mannheim eine Katzenschutzverodnung von belastbaren Daten abhängig macht, klingt für Tierschützer wie die Mannheimerin Claudia Herrmann wie Hohn. Im Gegensatz zu den anderen Städten hält die Mannheimer Behörde von Bürgermeister Christian Specht und seinem Fachbereichsleiter Peer-Kai Schellenberg diese unmöglich zu ermittelnden Zahlen für erforderlich, um den Erlass juristisch begründen zu können. Bereits seit 2014 sollten diese Zahlen dem Gemeinderat vorliegen. Jedoch ist das Zusammentragen lückenloser Daten immer schwieriger und heute fast unmöglich geworden, weil sich die Population inzwischen rapide vermehrt hat. Nicht zuletzt habe der finanzstarke Tierschutzverein das Fangen auf ehrenamtliche Helfer ausgelagert, weil es an Aufnahmekapazität im Heim sowie an Personalmangel für die Zähmung dieser wild geborenen Tiere fehlt, so der Tenor der Fütterergruppe. Nun müssen bisher Privatpersonen oder wie allzu oft das Tierheim Viernheim und der auch dort ansässige Verein Katzen in Not Grenzenlos e.V. für die große Nachbarstadt die Kastanien aus dem Feuer holen. "Genau genommen ist allein die Stadtverwaltung Mannheim für das Katzenelend verantwortlich, weil sie sich trotz mehrfacher Vorstöße der Grünen nicht ernsthaft um eine Lösung bemüht hat und nun die Suppe zusammen mit dem Tierheim auslöffeln muss", sagt Claudia Herrmann. Die Durchführbarkeit der notwendigen Kastrationsrate scheitere zudem daran, dass in Mannheim lediglich die Tierarztpraxis Sandhofen offiziell für das Tierheim Mannheim aktiv werden und von Privatpersonen eingefangene Streuner versorgen darf. Tierschutzaktivisten halten diese angebotene Hilfe des Tierschutzvereins Mannheim bei dringenden Kastrationen für nicht ausreichend. Margot erzählt von langen Wartezeiten für einen Termin beim sehr freundlichen, aber stets überlasteten Amtstierarzt. Sie erinnert sich an nächtelange Aktionen, um einen bestimmten Kater endlich in die Falle zu kriegen. "Und wenn man ihn dann hat, kann man doch nicht tagelang auf einen kostenlosen Kastrationstermin warten", bringt sie das Problem auf den Punkt. "Ich zahle die Operationen aus Liebe zum Tier dann bei einem anderen Doktor selbst", sagt sie weiter. Und kann sich aber den Satz nicht verkneifen: "Dieses Kalkül des Mannheimer Rathauses ist der eigentliche Skandal".

Wolf H. Goldschmitt