Hundefutter-Trends: Eine Ernährungsberaterin gibt Orientierung

23.11.2020, 14:24 Uhr

Mittlerweile helfen Ernährungsberater für Hunde bei der Orientierung, welche Nahrung die richtige für unsere Lieblinge ist und sie wissen Rat bei der Frage, welcher Trend Sinn ergibt. Na dann: Mahlzeit!

Von Michèle Loetzner

Das Regal im Haustierfachgeschäft ist lang, sehr hoch, verwirrend bunt und proppenvoll. Wer vor ihm steht, muss viele Entscheidungen treffen: nass oder trocken? Mit hydrolisiertem Eiweiß oder ganz ohne? Fleisch aus regionaler Zucht? Überhaupt, Fleisch: Muss das sein? Und ist Amaranth wirklich so viel toller als eine schnöde Kartoffel? Wie Eltern geht es vielen Haltern um die optimale Ernährung für ihren Schützling. Nahrhaft soll sie sein, gesund und abwechslungsreich. Aber wer behält bei dieser Flut an Wahlmöglichkeiten noch den Überblick? Wohlgemerkt, ohne dabei die aktuellen Ernährungstrends in Erwägung gezogen zu haben, Vegan, Barf, Prey, Corf ... ja, es ist ein wenig zum Verzweifeln.

Das weiß auch die Österreicherin Paulina Adamczyk. Sie machte aus der Not eine Tugend und gründete gemeinsam mit Co-Founderin Lisa-Marie Polster die digitale Dogtisch Academy, um Menschen zum Hundeernährungsberater auszubilden. Sie ist nicht allein: Die Verwirrung und Überforderung scheint beim Thema Hundenahrung mittlerweile so groß zu sein, dass es weltweit immer mehr Anbieter solcher Ausbildungen gibt. Die einen vermitteln ihr Wissen kompakt in mehrtätigen Workshops, andere verteilen ihr Programm auf mehrere Wochen. Eine einheitliche Zertifizierung gibt es nicht. Zumindest nicht, was die Inhalte der Ausbildungen anbelangt, wohl aber, was die Seriosität angeht: In Deutschland entscheidet die Staatliche Zentralstelle für Fernunterricht (ZFU) über die Zulassung von Lehrgängen, in anderen europäischen Ländern gibt es ähnliche Institutionen. Vergleiche sind deshalb schwierig.

"Trockenfutter ist und bleibt (...) marktführend"

Paulina Adamczyk hat Lebensmittel- und Biotechnologie studiert und kennt das Problem der Uneinheitlichkeit. Und sie kennt die Ratlosigkeit in Sachen Hundefutter, die noch befeuert wird durch Trends, die durchs Internet schwirren und auf Social Media propagiert werden. Von ihnen lässt sie sich allerdings nicht beeindrucken: "Ernährungstrends wandeln sich zwar immer wieder durch die gewählten Zutaten, aber der Kern bleibt gleich. Trockenfutter ist und bleibt mit großer Sicherheit global gesehen marktführend."

Auch der Deutsche Tierschutzbund lässt bei all den Hypes erst mal die Luft raus. Die Experten dort raten: "Man sollte seinen Hund nicht lebenslang nur mit einem einzigen Alleinfuttermittel ernähren. Durch einen regelmäßigen Wechsel kann man sicherstellen, dass das Tier wirklich ausgewogen und vor allem abwechslungsreich ernährt wird. Außerdem beugt man der Gefahr vor, dass das Tier sich an eine spezielle Futtersorte gewöhnt und nur noch diese eine Sorte fressen mag. Zusätzlich kann der Tierbesitzer für Abwechslung sorgen, indem er je nach Vorliebe des Tiers zum Beispiel Reis, Kartoffeln, Gemüse wie Rüben, gekochter Mais sowie Magerquark ergänzt. Frisst ein Hund Obst, kann man ihm zum Beispiel einen Apfel klein schneiden und unter das Futter mischen."

So weit, so klar. Widmen wir uns also der Gegenseite, all jenem, was Hunde nicht zu sich nehmen dürfen. Zum Beispiel scharfe Gewürze, Schokolade, Weintrauben und rohes Hühnerei. Alles Weitere kommt vor allem auf Hund und Halter an. So kann es helfen, bei Allergien oder Unverträglichkeiten die Nahrung umzustellen, um den Vierbeiner vor Bauchschmerzen und Ähnlichem zu schützen. Genau darauf hat sich Paulina Adamczyk bei ihrer Ausbildung spezialisiert. "Hunde sind auf unsere Hilfe und unser Wissen angewiesen, um ein artgerechtes Leben führen zu dürfen. Sie fressen immerhin nur durch unsere Mithilfe." Ihr eigener Hund Balou litt an Unverträglichkeiten, Adamczyk begann daraufhin, sich eingehend mit der Thematik zu beschäftigen. "Wir haben viele ernährungstechnische Stolpersteine bewältigt", sagt sie im Rückblick.

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An ihrer Akademie lehrt sie vor allem, nicht dogmatisch zu sein. Es gibt nicht die eine richtige Futterstrategie für alle. Sondern ein gesundes und gut durchdachtes Fundament, "frische Zutaten, die vorwiegend regional erhältlich sind und aus einer Mischung aus tierischen und pflanzlichen Komponenten bestehen. Ob gekocht oder roh, ist für jeden Hund unterschiedlich auszusuchen. Auch ein hochwertiges Nassfutter kann absolut passend sein. Wir sollten Ausnahmen aber nicht gänzlich vermeiden. Ein Stückchen Speck oder Käse, das zufällig vom Tisch fällt, ist in meinen Augen bei einem gesunden Hund völlig in Ordnung."

Zehn Monate Ausbildung zum Hundefutter-Profi

Die Ausbildung zum Hundeernährungsberater dauert bei Dogtisch zehn Monate, jeden Monat wird ein neues Modul freigeschaltet. Am Ende steht eine Abschlussprüfung. In einem knappen Jahr lernt man zum Beispiel, wie sich hochwertiges von minderwertigem Futter unterscheiden lässt, wie das Immunsystem von Hunden funktioniert, welche Nährstoffe wichtig sind, wie die Verdauung abläuft, aber auch ganz praktisch, wie man den Beruf organisiert und ausübt. Aktuelle Foodtrends werden ebenfalls unter die Lupe genommen. Paulina Adamczyk wirbt in ihrer Academy vor allem für Toleranz: "Sich für einen Weg zu entscheiden, finde ich wichtig, aber ebenso ist es wichtig, die anderen gesunden Wege zu akzeptieren."

Gesunde Wege gibt es mittlerweile viele. Zuletzt begeisterten sich immer mehr Anhänger für das Barfen, eine Ernährung aus rohem Fleisch, Knochen und Innereien. Das Akronym BARF steht für "biologisch artgerechtes rohes Futter". Kritik daran kam für den hohen Zeitaufwand bei der Herstellung und das Fehlen von bestimmten Nährstoffen. Daraus entwickelten sich Corf und Prey. Ersteres steht für "convenient artgerechtes rohes Futter", also die abgepackte Variante, die fütterfertig im Kühlregal steht. Prey steht für das englische Wort Beute, es werden demnach ganze Beutetiere verfüttert: Kaninchen, Hühner, Fische mitsamt Darminhalt und Fell beziehungsweise Federn oder Schuppen. Aber auch dort wurde Einseitigkeit bemängelt. Am komplett entgegengesetzten Pol etablierte sich die vegane Hundeernährung. Argument hierfür ist die Domestizierung der Fellfreunde, die sich so maßgeblich der menschlichen Nahrung angepasst hätten. Fleisch sei hier nicht mehr nötig. Es werden nur pflanzliche Bestandteile verfüttert, also auch kein Ei oder Magerquark.

Ein weiteres Argument der Veganer ist vor allem, dass viele Vierbeiner eine Unverträglichkeit gegenüber tierischen Eiweißen entwickelt haben. Generell wird bei Proteinen oft eine Diskussion gestartet: Braucht man die klassischen oder ist es für den Hund besser, hydratisierte Eiweiße oder solche aus Insekten oder exotischen Tieren wie Kängurus zu wählen? Selbiges gilt für Kohlenhydrate. Hundefutter ohne Getreide ist ein Verkaufsschlager. Aber ist Maniok besser als Weizen? Die Wissenschaft gibt keinem Recht, sie verweist vor allem auf Abwechslungsreichtum. Der Deutsche Tierschutzbund rät deshalb: "Die Erfahrung zeigt, dass der Tierhalter von sich aus oft immer wieder auf die gleichen Zutaten zurückgreift. Hier kann Einseitigkeit entstehen und damit auch ein Mangel oder ein Überschuss an essenziellen Nährstoffen verbunden sein. Empfehlenswert ist die Erstellung eines wissenschaftlichen Rationsplans."

Solche Pläne zu konzipieren lernt man auch bei Dogtisch. Paulina Adamczyk hat deshalb nicht eine spezielle Zielgruppe im Blick, sondern richtet sich an alle Hundehalter, die sich mit dem Thema beschäftigen wollen. "Wir haben Studenten aus jeder Berufs- und Altersklasse. Tierärzte und Hundetrainer genauso wie Privatpersonen. Was sie eint: Alle lieben Hunde und wollen besser verstehen, wie die passende Ernährung aussieht und was es dafür aktuell auf dem Markt gibt." Besonders eine Gruppe wird immer relevanter: private Hundehalter, die sich fortbilden wollen, um dem eigenen Tier zu helfen, weil es krank ist oder unter Unverträglichkeiten leidet.

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