Die graue Karawane

76 Polizeiwagen, neun Drohnen, 18 Tonnen Lebensmittel und gerade haben sie noch einmal Verstärkung geschickt: Die chinesischen Staatsmedien wollen keine Zweifel daran aufkommen lassen, dass die Behörden die Lage im südchinesischem Yunnan unter Kontrolle haben. Mindestens aber alles tun, was in ihrer Macht steht.

Mit der Kontrolle ist es nämlich schon seit Monaten vorbei, seit sich eine Elefantenherde aus dem Xishuangbanna Naturreservat an der Grenze zu Burma und Laos auf Wanderschaft begeben hat. Mehr als 500 Kilometer ist die Herde wilder Asiatischer Elefanten (erkennbar durch kleinere, rundere Ohren als ihre afrikanische Verwandtschaft) seit vergangenem Jahr gewandert. Inzwischen sind die 15 Tiere am Rande der 8,5-Millionen-Stadt Kunming angelangt. Alle Versuche von Tierschützern und Polizei, sie mit Futter und Straßenblockaden zur Umkehr zu überzeugen, sind bisher gescheitert.

Laut Chen Mingyong, Experte für Asiatische Elefanten an der Universität Yunnan ist es die längste bisher von chinesischen Behörden dokumentierte Wanderung der Tiere im Land. Migration sei nicht ungewöhnlich. "Normalerweise findet sie aber zwischen Reservaten statt", sagt der Experte.

Warum die Tiere sich auf Wanderschaft in den Norden der Provinz begeben haben, ist nicht klar. In China leben rund ein Prozent aller Wildelefanten in Asien, das sind etwa 300 Tiere. Durch strenge Schutzmaßnahmen ist es zwar gelungen, die Zahl der Tiere von etwas unter 200 in den 1980er Jahren auf 300 zu erhöhen. Ihre Lebensräume im Süden Chinas sind aber immer weiter geschrumpft. Schnellstraßen und Städte haben die Schutzgebiete in immer kleinere Teile zerlegt. Große Teile des Regenwaldes in der Region sind für den Anbau von Gummiplantagen abgeholzt worden. Auch Bananen- und Tee-Anbau haben die Gegend verändert.

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Von Tina Baier

Möglich, dass die Tiere in ihrem Reservat nicht mehr genug Nahrung gefunden oder gelernt haben, dass die Suche auf den umliegenden Feldern der Menschen deutlich leichter fällt. In den vergangenen Jahren haben Tiere das Reservat immer wieder für einige Tage und Wochen verlassen, um sich auf naheliegenden Feldern zu bedienen.

Auch die Herde aus dem Xishuangbanna Naturreservat hat auf ihrer Wanderschaft entlang von Schnellstraßen und Dörfern Maislager geplündert, Felder leergefressen und plattgetrampelt. Die Behörden mussten Straßen sperren und Anwohner evakuieren. Sie schätzen den entstandenen Schaden auf über 870000 Euro. Wahrscheinlich, dass die Tiere zwischenzeitlich auch aus Stress immer weiter gelaufen sind.

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Denn trotz der Zerstörung von Feldern und Ernte sind die Elefanten in China inzwischen eine Internet-Sensation. Millionen Menschen verfolgen ihre Wanderschaft im Livestream. Journalisten und Blogger reisen den Tieren hinterher, um Fotos vor geplünderten Vorratslagern oder den Überresten der Tiere zu bekommen.

Tierschützer hoffen, dass die Berichterstattung dazu beiträgt, die Menschen auf die Lage bedrohter Tierarten aufmerksam zu machen - und auf die Folgen, wenn diese ihre ursprünglichen Lebensräume verlieren. Im Oktober findet ausgerechnet in Kunming die Biodiversitätskonferenz der Vereinten Nationen statt, wenn auch wahrscheinlich größtenteils virtuell.

Für die Elefanten selbst könnten die Behörden erst einmal nicht viel tun, sagt Experte Chen. Es bliebe ihnen nichts anders übrig, als die Tiere weiter von zu dicht besiedelten Gebieten fernzuhalten und zu hoffen, dass sie irgendwann umkehrten.