Uniklinik Erlangen: Neue Therapie gegen Autoimmunkrankheit SLE

Knapp 20 Tabletten musste Thu-Thao in der besonders schlimmen Phase ihrer Erkrankung jeden Tag schlucken. Die 20 Jahre alte Fachoberschülerin leidet an der Autoimmunerkrankung "Systemischer Lupus erythematodes“, kurz SLE genannt. Die ersten Symptome zeigten sich bei ihr mit Gelenkschmerzen und einem roten Ausschlag im Gesicht als sie 16 Jahre alt war. Dann folgten unzählige Arztbesuche bis schließlich im Februar 2017 die Diagnose feststand.

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Seltene Autoimmunerkrankung Systemischer Lupus erythematodes

Bei dieser lebensbedrohlichen Autoimmunerkrankung greift das Immunsystem eigene Körperzellen in verschiedenen Organen an. "Beim SLE spielen Teile des Immunsystems verrückt und bilden Antikörper gegen die eigene Erbsubstanz, was unweigerlich zu schweren Entzündungsreaktionen in den Organen führt“, sagte Georg Schett, Direktor der Medizinischen Klinik 3, Rheumatologie und Immunologie des Uni-Klinikums Erlangen. Besonders häufig betroffen sind nach Angaben des Professors vor allem junge Frauen im gebärfähigen Alter. Etwa 50 von 100.000 Menschen leiden an dieser Krankheit, die weltweit verbreitet ist. Die Ursachen sind noch nicht vollständig geklärt, allerdings gehen Experten davon aus, dass es sich um eine genetische Veranlagung handelt, die vor allem in Kombination mit UV-Licht sowie hormonellen Einflüssen auftritt.

Starke Einschränkungen durch SLE im Alltag

Neben starken Gelenkschmerzen, Haarausfall, Wassereinlagerungen und Herzrasen äußerte sich die Autoimmunerkrankung bei der 20-jährigen Thu-Thao auch durch eine Niereninsuffizienz. Sie war permanent müde und erschöpft. Irgendwann war sie sogar so schwach, dass sie gestützt werden musste oder sich nur noch im Rollstuhl fortbewegen konnte, erinnert sich die Fachoberschülerin an diese schlimme Zeit zurück. "Ich bin bei jedem Schub in die Notaufnahme ans Uni-Klinikum gefahren, wo ich dann eine Kortisolstoßtherapie bekommen habe, um meine Symptome abzumildern", so Thu-Thao.

Klassische Therapien zeigten keine Wirkung

Es folgten zahlreiche Therapien: Um gegen die krankmachenden B-Zellen anzukämpfen, bekam Thu-Thao eine Chemotherapie, verschiedene aggressive immununterdrückende Medikamente, hochdosiertes Kortison. Doch keine der Therapien half ihr wirklich, die Krankheitswerte blieben zu hoch, der jungen Frau ging es immer schlechter. Alle Therapien, die ihr Immunsystem unterdrücken sollten, scheiterten.

Hoffnung: CAR-T-Zelltherapie

Daher starteten die Ärzte einen Heilversuch mit Hilfe von sogenannten CAR-T-Zellen. Hierfür wurden aus dem Blut der 20-Jährigen bestimmte Immunzellen, die sogenannten T-Zellen, entnommen und im Labor verändert. Die Forscherinnen und Forscher an der Uniklinik Erlangen können diese Zellen, die für die Therapie gebraucht werden, selbst herstellen. Denn sie seien eines der wenigen Zentren in Europa, die über die Ausstattung solch spezieller Reinraum-Laboratorien verfügen, so Andreas Mackensen.

Die veränderten Zellen wurden mit einem künstlichen Rezeptor ausgestattet, dem sogenannten chimären Antigenrezeptor (CAR), erklärt der Professor, der Direktor der Medizinischen Klinik 5, Hämatologie und Internistische Onkologie ist. Dieser Rezeptor kann spezielle Antigene erkennen und zerstören. Im Fall der Patientin habe man den CAR-T-Zellen die Fähigkeit beigebracht, diejenigen Immunzellen unschädlich zu machen, die Antikörper gegen körpereigene Zellen bilden.

Dass diese Therapie funktionieren kann, wurde in Präklinischen Studien im Reagenzglas und im Tiermodell bereits getestet. Noch nie zuvor jedoch an einer Patientin, betont Mackensen.

Patientin durch Therapie mit CAR-T-Zellen beschwerdefrei

Thu-Thao habe die Behandlung bereits im März dieses Jahres erhalten. Damit ist sie nach Angaben der Uniklinik Erlangen die erste Patientin weltweit. Die 20-Jährige konnte alle immununterdrückenden Medikamente inklusive Kortison absetzen, so Mackensen. Sie sei beschwerdefrei und es gebe bisher auch keine Anzeichen für ein erneutes Auftreten der Krankheit. Thu-Thao ist froh und erleichtert:

Klinische Studie geplant

Bei der Behandlung von Leukämie und Lymphdrüsenkrebs werde die Therapie mit CAR-T-Zellen bereits eingesetzt. Im Bereich der Autoimmunerkrankungen wollen Mackensen und Schett nun eine klinische Studie mit CAR-T-Zellen bei Menschen mit Autoimmunerkrankungen (WDH) durchführen. Bis man die Therapie allerdings großflächig einsetzen könne, müsste zunächst ihre Wirksamkeit durch diese großangelegten Studien belegt werden.

Denkbar sei es, diese Art der Therapie auch bei anderen Krankheiten wie etwa Multipler Sklerose oder Diabetes mellitus anzuwenden, erklärt Schett. Bis das jedoch soweit sein wird, werde noch einige Zeit vergehen. Thu-Thao hat die Therapie allerdings schon jetzt geholfen. Mittlerweile kann sie wieder ein fast normales Leben führen und muss nur noch sechs Tabletten täglich nehmen, damit ihr Blutdruck stabil bleibt und die Nieren richtig arbeiten.

Die Arbeit über die Behandlung der Autoimmunerkrankung SLE mit CAR-T-Zellen an der Uniklinik Erlangen wird im New England Journal of Medicine veröffentlicht.