Gut schlafen auch in Corona-Zeiten

Während Corona werden mehr Sorgen mit ins Bett genommen

Vor allem Menschen, die Verwandte verloren haben, die berufliche und existentielle Sorgen plagen, die sich wegen der Kontaktbeschränkungen einsam fühlen oder die sich zwischen Homeoffice und Homeschooling aufreiben, sind laut DGSM durch die Krise stark gefährdet, Sorgen buchstäblich mit ins Bett zu nehmen und schlechter zu schlafen.

"Schlaf ist eigentlich immer als erstes betroffen, wenn unsere Seele leidet. Er ist so eine Art Frühwarnsystem", sagt Spiegelhalder. "Ein schlechter Schlaf ist aber nicht nur die Folge einer seelischen Belastung, sondern oft auch die Ursache."

Diagnose: Insomnie – Schlafstörungen

Wem es mindestens einen Monat lang schwerfällt, einzuschlafen oder durchzuschlafen, und wer dadurch tagsüber in seiner Stimmung oder Leistung beeinträchtig ist, dem stellen Schlafmediziner die Diagnose Insomnie. Laut DGSM treten Schlafstörungen in Deutschland häufig auf, oft mit schwerwiegenden Folgen für die Betroffenen.

Insomnie gilt als hoher Risikofaktor für psychische Störungen: Menschen, die unter einer Schlafstörung leiden, hätten ein mehr als doppelt so hohes Risiko, in den nächsten Jahren eine Depression oder Angststörung zu entwickeln.

Bei Menschen, die Insomnie quält, sei außerdem das Risiko für einen gesundheitsschädigenden Konsum von Alkohol erhöht: Viele Betroffene würden Alkohol als Schlafmittel einsetzen, wovor nicht nur Schlafmediziner warnen. Experten raten generell von Schlafmitteln jeglicher Art ab, um eine Abhängigkeit oder unerwünschte Nebenwirkungen zu vermeiden. Gemäß der Leitlinie Insomnie der DGSM ist die Kognitive Verhaltenstherapie das beste Mittel, um eine Schlafstörung zu behandeln.

Schlafstörungen als Folge von Covid-19

Schlafstörungen können jedoch nicht nur aufgrund von Anspannung, Ängsten und Sorgen auftreten, sondern offensichtlich auch als Folge einer Covid-19-Erkrankung. Laut DGSM war Insomnie auch bei Genesenen anderer Virusinfekte, etwa bei SARS und MERS, gehäuft aufgetreten. Erste Studien und Erkenntnisse liegen auch bei Covid-19-Infektionen vor, allerdings betont die DGSM, dass man "derzeit aufgrund des zeitlichen Verlaufes nur mittelfristige Langzeitfolgen" überblicken könne.

In einer Untersuchung an 1.733 Patienten, die mit einer Covid-19-Erkrankung im chinesischen Wuhan im Krankenhaus behandelt und zwischen Januar und März 2020 entlassen wurden, gaben 26 Prozent an, sechs Monate nach der Entlassung an einer Schlafstörung zu leiden. In einer italienischen Studie wurden 402 Patienten untersucht, die eine Covid-19-Erkrankung überstanden hatten. Bei 40 Prozent davon wurde Insomnie diagnostiziert. Besonders häufig entwickelten jüngere Patienten, Frauen und Menschen mit psychiatrischen Vorerkrankungen Schlafstörungen.

"Es ist sehr wichtig, Covid-19-Patienten auch psychologisch stark zu betreuen, besonders diese identifizierte Subgruppe", bekräftigt Dr. Dora Triché, Mitglied des DGSM-Vorstands und Leiterin des Schlaflabors und der nicht-invasiven Beatmung der Universitätsklinik der Paracelsus Medizinischen Privatuniversität Nürnberg. Ihrer Meinung nach können Schlafstörungen mittlerweile auch zu den Post-Covid-Folgen (auch Long-Covid-Folgen) gezählt werden.

Die Spätfolgen der Corona-Infektion: Post-Covid- oder Long-Covid-Folgen

Covid-19 kann direkt und indirekt zu Schlafstörungen führen

Triché erklärt, wie die Covid-19-Erkrankung mit der Schlafstörung zusammenhängt: "Zum einen scheint es direkte Effekte der Virusinfektion auf das zentrale Nervensystem zu geben. Hierbei spielt die Veränderung der Blut-Hirnschranke eine entscheidende Rolle. Auch kann die Immunantwort neurologische Veränderungen und auch eine Störung des Tag-Nacht-Rhythmus hervorrufen."

Gut schlafen auch in Corona-Zeiten

Corona könne jedoch auch indirekt für einen schlechteren Schlaf verantwortlich sein: Wer isoliert auf der Intensivstation lag, keine Ahnung hatte, ob und wie er die Covid-19-Erkrankung übersteht, welche Folgeschäden und sozialen wie finanziellen Konsequenzen noch auf ihn zukommen, empfinde eine psychische Belastung und Anspannung, die in einer depressiven Verstimmung münden könne. "In Folge entwickelt ein Teil der Patienten eine Ein- und/oder Durchschlafstörung", erklärt Triché.

Die DGSM betont deshalb, wie wichtig es sei, von Covid-19 Genesene auch psychologisch zu begleiten. Weitere Untersuchungen seien nötig, um noch besser zu erforschen, wie Covid-19 mit Schlafstörungen zusammenhängt. Bei gefährdeten Patienten könnten dann bereits während der Erkrankung präventive Maßnahmen ergriffen werden.

Corona kann dank Homeoffice mehr Schlaf bescheren

Trotzdem gibt es auch Menschen, die in der Corona-Pandemie von mehr Schlaf profitieren: Wer im Homeoffice arbeitet, spart Pendelzeit und nutzt diese offensichtlich, um länger zu schlafen. Daten von Energiebetrieben zeigen, dass sich die Spitzenzeit der Energienutzung um rund eine Stunde nach hinten verschoben hat.

Ähnliches bestätigt eine Arbeitsgruppe um Prof. Dr. Till Roenneberg vom Institut für Medizinische Psychologie der LMU München: Die Wissenschaftler haben zwischen dem 4. April und 6. Mai 2020 eine Umfrage mit rund 7.500 Teilnehmern aus 40 Ländern durchgeführt: Während eines Lockdowns haben die Menschen an Arbeitstagen durchschnittlich 26 Minuten länger geschlafen, an ihren freien Tagen neun Minuten weniger.

Homeoffice verringert "Social Jetlag"

Insgesamt würden die Ergebnisse auf ein "massives Schlafdefizit unter sozialem Zeitdruck" , ausgelöst durch Schule oder Arbeit, VOR der Pandemie hindeuten. "Wer an Arbeitstagen mit Wecker aufwachen muss, hat biologisch gesehen noch nicht ausgeschlafen. Wir wissen, dass wir eigentlich alle mehr Schlaf brauchen, als wir zugeben wollen", erklärt Roenneberg. Aufgrund von Verpflichtungen müssten viele Menschen bis zu zwei oder drei Stunden weg von ihrer inneren Uhr leben, bei den meisten seien es ein bis zwei Stunden. Diese Differenz nennt Roenneberg "Social Jetlag".

Auf Dauer sei er mit einem erhöhten Risiko für Krankheiten verbunden. Im Homeoffice konnten viele Menschen offensichtlich ihren Social Jetlag reduzieren und mehr in ihren individuellen Schlaffenstern leben. "Wir brauchen mehr Menschen, die ohne Wecker aufwachen – dann haben wir gesündere Menschen – und auch eine höhere Produktivität", fasst Roenneberg zusammen.

Auch während der Pandemie nach draußen gehen

Roenneberg betont auch, wie wichtig es sei, gerade während der Pandemie, in einem Lockdown und bei vermehrter Arbeit im Homeoffice, nach draußen und ins Tageslicht zu gehen. Dies würde einen guten Schlaf und damit auch die Lebensqualität fördern und zu einer höheren psychischen und körperlichen Belastbarkeit beitragen. "Die Umstände während einer Pandemie sollen deshalb immer so gestaltet sein, dass die Menschen rausgehen können – und sei es allein."

Eine natürliche Lichtquelle am Morgen führe dazu, dass die Ausschüttung von Melatonin, des Schlafhormons, unterdrückt werde. Die Ausschüttung von Serotonin, des Glückshormons, dagegen werde stimuliert, erklärt Dr. Alfred Wiater, Referent im DGSM-Vorstand. "Das trägt dazu bei, dass man sich fitter fühlt und es einem gut geht. Serotonin ist aber auch Ausgangsprodukt für Melatonin: Wenn wir morgens zu wenig Licht – und damit zu wenig Serotonin-Ausschüttung – haben, dann haben wir abends zu wenig Melatonin."

Schlafmangel könnte Covid-19-Erkrankung begünstigen

Zum Tag des Schlafes, der während der Corona-Pandemie stattfindet, betont die DGSM, wie wichtig Schlaf für eine funktionierende Immunabwehr ist: Wer ausreichend und erholsam schläft, beeinflusse sein Immunsystem positiv und bilde zum Beispiel mehr Antikörper, könne dadurch Infekte besser abwehren oder eine Genesung fördern. "Es ist anzunehmen, dass das auch auf Covid-19 zutreffen könnte", vermutet Dr. Anna Heidbreder, Mitglied des DGSM-Vorstands und Oberärztin in der Universitätsklinik für Neurologie der Medizinischen Universität Innsbruck. Schlaf sei für das Immunsystem einfach kein passiver Zustand, Gehirn und Körper seien währenddessen hoch aktiv. "Es ist deshalb wichtig, auf ausreichend Schlaf zu achten. Das Immunsystem braucht Schlaf, um aktiv und stabil zu bleiben." Heidbreder schlussfolgert: "Nachts sollte deshalb auch nicht geimpft werden. Die Nacht sollte zum Schlafen da sein."

"Schon eine durchwachte Nacht erhöht das Risiko, an Infekten zu erkranken", darauf weist Anna Heidbreder hin. Erste Untersuchungen zu Covid-19 zeigen, dass Patienten mit einem schweren Covid-19-Verlauf häufig schon vor der Erkrankung unter schwerwiegenden Schlafstörungen litten.

Tipp: Vor und nach der Corona-Impfung gut schlafen

Bei Untersuchungen von Menschen, die eine Hepatitis-A-Impfung bekommen hatten, zeigte sich, dass die Intensität des Tiefschlafs nach der Impfung die Zahl der gebildeten Antikörper beeinflusste. "Zunehmend klar wird, dass Schlaf auch eine wichtige Rolle in der Immunantwort nach einer Impfung hat. Ob diese Daten auf eine Corona-Impfung übertragbar sind, ist bisher zwar nicht bestätigt, aber sehr gut möglich", sagt Heidbreder. Deshalb sollte man vor und nach einer Impfung darauf achten, ausreichend und erholsam zu schlafen.

"Schlafhygienische Maßnahmen sind nicht nur ein wichtiges Instrument für eine möglicherweise bessere Wirksamkeit einer Impfung, sondern tragen auch allgemein zu einer verbesserten Immunabwehr bei", fasst Anna Heidbreder zusammen. Laut der DGSM ist Schlaf "das wichtigste menschliche Regenerations- und Reparaturprogramm". Man kann sich also tatsächlich gesund schlafen. Schlafen ist einfach die beste Medizin - und die beste Prävention.