Illegaler Welpenhandeln in Bayern: Volle Tierheime

Der Lockdown hat viele Menschen einsam gemacht. Und was hilft besser gegen die Einsamkeit als ein Haustier, haben sich scheinbar nicht wenige gedacht. Seit 2020 war die Nachfrage nach Haustieren im Freistaat stark gestiegen. Insbesondere des Menschen bester Freund sollte als Kompensation für die monatelange Isolation herhalten. Eine SZ-Umfrage hat gezeigt, dass die Anzahl der neu gemeldeten Hunde im vergangenen Jahr in die Höhe geschossen ist. Insgesamt wurden 4829 Hunde mehr angemeldet als noch im Jahr davor. Das bedeutet einen Zuwachs von etwa 40 Prozent. In München und Augsburg haben sich die Neuanmeldungen sogar mehr als verdoppelt.

Schon damals befürchteten Tierschützer, dass die Tiere nach dem Lockdown wieder zurückgegeben werden. Wenn das öffentliche Leben hochfährt, hätten die Leute keine Lust oder Zeit mehr, sich um sie zu kümmern, so damals die Mutmaßung. Folgt man den Worten von Marianne Ruß, scheint sich das nun zu bestätigen. Die Vorsitzende des Landesverbandes Bayern für das Hundewesen (VDH) erzählt, dass die Tierheime und Tierschutzinitiativen überlastet seien. "Die Tierheime quellen über", sagt sie. "Alle Befürchtungen sind wahr geworden - der Lockdown ist vorbei, und die Halter geben die Hunde zurück."

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Die hohe Nachfrage während der Pandemie habe auch dazu geführt, dass der Schwarzmarkthandel aus dem Ausland floriert. Darunter seien auch kranke Hunde gewesen, die meistens aus Osteuropa nach Deutschland transportiert werden. "Viele dieser Tiere sind entweder schon verendet oder befinden sich jetzt in Tierheimen", so die Verbandsvorsitzende. Einige Hunde wurden ihr zufolge einfach ausgesetzt.

Die Vizepräsidentin des Landesverbands Bayern des Deutschen Tierschutzbundes, Tessy Lödermann, bestätigt den expansiven Schwarzmarkthandel in Bayern. Im Zentrum stehen dabei vor allem Hundewelpen. Im ersten Halbjahr 2021 mussten demnach bereits mehr Tiere aus illegalen Transporten untergebracht werden als im ganzen Jahr 2020. "Der Welpenmarkt in Osteuropa scheint wie leergefegt", sagt sie. Bayern diene als "Drehkreuz" des europäischen Welpenhandels. Dabei seien die importierten Jungtiere in allen Fällen jünger als erlaubt - die Jüngsten sogar erst zehn Tage alt. Welpen dürfen erst nach einem Lebensalter von 16 Wochen eingeführt werden. Davor besitzen sie keinen Schutz gegen Tollwut.

Drei geschmuggelte Zwergspitzwelpen hat die Grenzpolizei Selb in Oberfranken Anfang März in einer Kiste entdeckt.

(Foto: dpa)

Illegaler Welpenhandeln in Bayern: Volle Tierheime

Ein Rundruf bei bayerischen Tierheimen ergibt ein differenziertes Bild über die gegenwärtige Situation. Das Tierheim in Straubing teilt mit, dass bis dato keine übermäßige Anzahl von Tieren zurückgegeben wurde. Man rechne aber damit, dass sich das ändert. "Wenn die Leute nach der Ferienzeit wieder acht Stunden arbeiten, werden wohl viele Leute ihre Tiere an uns abgeben", sagt eine Tierheimleiterin. Die starke Nachfrage nach Hunden halte jedoch bis heute an. Vor allem Welpen seien sehr beliebt. Dem Tierheim in Garmisch-Partenkirchen ergeht es ähnlich. Laut einer Mitarbeiterin sei noch keine höhere Rückgabequote zu bemerken. Aber auch sie geht davon aus, dass das in absehbarer Zeit der Fall sein wird.

In Freising ist dieser Trend bei den Kleintieren bereits zu beobachten. Mäuse, Hamster oder Kaninchen werden derzeit überdurchschnittlich oft abgegeben, erzählt Melanie Schönberger vom Fachbereich Kleintiere. "Zusätzlich zu den normalen Abgabetieren verzeichnen wir auch viele Corona-Tiere - mindestens ein ganzer Zwinger ist mit ihnen besetzt", sagt sie. Zudem komme es vor, dass die Halter andere Gründe für die Rückgabe angeben. "Die Leute schämen sich dafür", so die Tierpflegerin. Deswegen seien die tatsächlichen Hintergründe oft schwer nachzuvollziehen. Ein Anstieg sei jedoch eindeutig zu vermerken. "Alle unsere Zwinger sind voll", sagt Schönberger.

Die Geschäftsführerin des Tierschutzvereins Augsburg, Sabina Gassner, kann eine solche Entwicklung bei Hunden noch nicht feststellen. Dafür sei ein anderes Phänomen zu beobachten. Da es immer mehr Hunde gibt, die nutzbaren Flächen aber gleich bleiben, steige der Druck auf die vorhandenen Flächen. "Es wird immer enger und damit auch konfliktträchtiger - wir bekommen sehr viele Beschwerden", sagt Gassner.

Haustiere nach Corona

Auch Hunde müssen Sozialkontakte wieder lernen

Die Zahl insbesondere der neu angeschafften Welpen in München ist im vergangenen Jahr stark gestiegen. Doch deren Erziehung ist während der Pandemie oft auf der Strecke geblieben, und die plötzlichen Kontakte sind für viele Vierbeiner eine Herausforderung.

Von Thomas Becker

Der Tierschutzverein in Aschaffenburg sieht sich derweil mit einer hohen Anzahl von Abgabeanfragen bei Hunden konfrontiert. "Zur Zeit sind jedoch alle Zwinger belegt und nur noch für Notfälle frei", teilt der Tierpflegeleiter Lukas Kneisel mit. Aufgrund der nur begrenzten räumlichen Kapazitäten könne nicht allen Anfragen entgegengekommen werden. Auch Katzen, Kleintiere und Reptilien würden zurzeit besonders häufig zurückgegeben. Der körperliche Zustand der Hunde sei in der Regel gut, aber "die Psyche und fehlende Erziehung bereitet uns und auch den Hunden wesentlich größere Probleme", sagt Kneisel. Bei Kleintieren und Reptilien würden hingegen oftmals schwere Haltungsfehler sichtbar. Viele Tiere seien krank, ohne dass die Vorbesitzer dies überhaupt wahrgenommen hätten. Dass Tiere einfach ausgesetzt oder online weitervermittelt werden, sei keine Seltenheit. "Ein Teil der Besitzer handelt oft aus Verzweiflung, da sie nicht wissen, wohin mit dem Tier", sagt der Tierpfleger.

"Es gibt Tierheime, die stöhnen unter der Belastung, während das bei anderen nicht der Fall ist"

Es gibt also eindeutige Unterschiede in der Auslastung zwischen den verschiedenen bayerischen Tierheimen. Das sieht auch die Präsidentin des Landestierschutzbunds Ilona Wojahn so: "Es gibt Tierheime, die stöhnen unter der Belastung, während das bei anderen nicht der Fall ist." Die Rückgaben seien jedoch nicht immer auf eine unüberlegte Anschaffung im Lockdown zurückzuführen. Daneben gebe es viele andere Gründe. Unter anderem der illegale Welpenhandel oder die Katzenschwemme. Dennoch sei es zu früh, um ein endgültiges Fazit abzugeben. "Wenn die süßen Welpen dann zu Junghunden werden, könnte das schon ansteigen - viele haben ja überhaupt keine Erfahrung", sagt Wojahn.

Außerdem besteht laut der Tierschutzpräsidentin die Gefahr, dass die Hunde privat weiterverkauft werden. Im Internet gebe es Angebote zwischen drei- und viertausend Euro. "Dadurch werden die Hunde zu Wanderpokalen", sagt sie. Und der Tierschutz spiele dabei keine Rolle mehr.