Verteilen statt wegwerfen

Ein Tag über dem Mindesthaltbarkeitsdatum und ab in die Tonne - so ist es Vorschrift für Supermärkte. Für Michael Metzler und seine Frau Katrin Johanna ist das Lebensmittelverschwendung, der sie den Kampf angesagt haben. Die Metzlers sind Foodsharing-Botschafter für den Landkreis und zwei von bereits 110 aktiven Foodsavern in und um Erding. Sie holen von kooperierenden Lebensmittelgeschäften ausrangierte Ware ab und organisieren die kostenlose Verteilung. Der Verein Foodsharing e.V. existiert seit 2012 und agiert vor allem im deutschsprachigen Raum. Seit der Gründung haben sich laut den Angaben auf der Vereinswebseite etwa 380 000 Nutzer registriert.

Die Metzlers sind seit 2018 Lebensmittelretter. "Als wir angefangen haben, gab es in Erding noch nichts, absolute Tabula rasa", erinnert sich Michael Metzler. Mit Unterstützung aus Freising gelang ihm und seiner Frau der Aufbau eines eigenen Bezirks für den Landkreis Erding. "Seit diesem Jahr haben wir aufgeholt und können mit den Nachbarlandkreisen mithalten", bilanziert der ehrenamtliche Foodsaver, "das liegt vor allem daran, dass wir nun auch mit mehreren größeren Supermärkten kooperieren." Genannt werden wollen diese Supermärkte jedoch nicht und auch zu den Abgabemengen sagt Metzler nichts.

Laut einer Studie des Kompetenzzentrums für Ernährung Bayern werfen Privathaushalte im Freistaat pro Kopf und Jahr immer noch 65 Kilogramm Lebensmittel weg.

(Foto: Renate Schmidt)

Neben noch verzehrbaren Produkten, die wegen des Ablaufdatums nicht mehr verkauft werden dürfen, bekommen die Lebensmittelretter auch aussortiertes Obst und Gemüse. Denn in einem deutschen Supermarkt reichen oft schon kleine Mängel wie ein welkes Blatt an einem Salatkopf, damit die Ware so lange liegen bleibt, bis sie aussortiert wird. In Frankreich gibt es die gesetzliche Regelung, dass aussortierte und abgelaufene Lebensmittel an wohltätige und soziale Organisationen angegeben werden müssen. Metzler merkt aber, dass auch schon auf freiwilliger Basis ein "merkliches Umdenken" im Lebensmittelhandel begonnen habe. Nur Ware, die das Verbrauchsdatum überschritten hat, ist auch bei Foodsavern tabu. Leicht verderbliche Produkte wie Fisch oder Geflügel haben solch eine Angabe, die im Gegensatz zum Mindesthaltbarkeitsdatum nach dem Ablauf dringend vom Verzehr abrät.

Für die Weitergabe der Lebensmittel sind die Abholer wie die Metzlers selbst verantwortlich. Entweder bieten sie "Essenskörbe" auf der Foodsharing-Plattform im Internet an oder sie organisieren die Weitergabe über private Netzwerke. Einer der aktivsten Foodsaver in Erding neben den Metzlers ist Christian Kornberger. Er baut regelmäßig unter seinem Carport vor seinem Haus einen Stand auf. Pro Abholung kann er bis zu 70 Haushalte in seiner Nachbarschaft in Williamsville mit Lebensmitteln versorgen.

Foodsaver Christian Kornberger baut regelmäßig unter seinem Carport einen Stand auf.

(Foto: Renate Schmidt)

Die meisten Lebensmittel retten in Deutschland allerdings immer noch die Tafeln. Nach Angaben des Dachverbandes sind es jedes Jahr 265 000 Tonnen. Zum Vergleich: Foodsharing hat laut eigener Statistik seit seiner Gründung vor neun Jahren insgesamt knapp 50 000 Tonnen Lebensmittel gerettet. Michael Metzler sieht das Foodsharing-Netzwerk nicht als Konkurrenz zu der Hilfsorganisation: "Die Tafeln haben meiner Meinung nach immer Vorrang, da bei ihnen der soziale Faktor im Vordergrund steht. Uns geht es ja vor allem um den ökologischen Aspekt."

Besonders betont Metzler den Netzwerkcharakter von Foodsharing. Eine interaktive Karte auf der Internetseite zeigt, wo sogenannte "Fairteiler" - öffentlich zugängliche Tauschorte wie zum Beispiel Kühlschränke - stehen. So etwas gibt es aber in Erding noch nicht. Ebenfalls online einsehbar sind die Essenskörbe, die in der Umgebung abzugeben sind.

Wie Foodsharing verfolgt auch die Berglernerin Arjeta Ajdini das Ziel, weniger Lebensmittel zu verschwenden. Im Januar gründete sie die Facebook-Gruppe "Kostenlose Lebensmittel ED & Umgebung", die inzwischen mehr als 800 Mitglieder zählt. Bei Ajdinis Initiative steht - anders als bei den Metzlers - die Weitergabe zwischen Privathaushalten im Vordergrund. Das Konzept ist denkbar einfach: ein Foto, das Mindesthaltbarkeitsdatum und den Abholort in die Gruppe posten und warten, bis sich jemand meldet. Solche Gruppen gibt es überall in Deutschland, sagt Ajdini. Auf die Idee, auch in Erding eine zu gründen, sei sie durch die Corona-Pandemie gekommen: "Viele Menschen sind durch Corona finanziell abgerutscht. Gleichzeitig hat aber bestimmt jeder zu Hause noch gute Lebensmittel, die er nicht mehr braucht oder nicht mag." In die Gruppe gestellt werden darf alles, was noch zum Verzehr geeignet ist. Wichtig ist Ajdini nur, dass die Mitglieder zuverlässig sind. Inzwischen werden über die Gruppe aber nicht mehr nur von Menschen verschmähte Produkte weitergegeben. "Ich habe selbst eine sehr verwöhnte Katze und deshalb zu Hause einiges an Tierfutter rumstehen", berichtet Arjeta Ajdini. Nach vorheriger Abfrage in der Facebook-Gruppe fährt sie etwa alle zwei Wochen von Haushalt zu Haushalt und sammelt Futter und Zubehör ein, das sie dann an den Tierschutzverein Erding spendet.

Kornberger versorgt bis zu 70 Haushalte in seiner Nachbarschaft.

(Foto: Renate Schmidt)

Das Ziel beider Initiativen bleibt indes das gleiche: der Lebensmittelverschwendung den Kampf anzusagen. Laut einer Studie des Kompetenzzentrum für Ernährung Bayern werfen Privathaushalte im Freistaat pro Kopf und Jahr 65 Kilogramm Lebensmittel weg. Davon seien circa 45 Kilogramm vermeidbar. "Eine soziale und ökologische Sünde", wie Michael Metzler findet.