In Ovo: Wie ein Start-up das Kükenschreddern verhindern will

Noch ist es trauriger Alltag: Jedes Jahr töten Legehennen-Brütereien hierzulande etwa 45 Millionen männliche Küken, nachdem diese geschlüpft sind. Denn Hähne legen nun mal keine Eier. Und als Masthähnchen taugen Rassen, die aufs Eierlegen im Akkord getrimmt wurden, ebenfalls kaum. Doch von 2022 an will Deutschland das Kükentöten verbieten. So hat es das Bundeskabinett im Januar beschlossen.

Alternativen zum massenhaften Schreddern und Vergasen gibt es bereits. Nun meldet das Start-up In Ovo aus den Niederlanden, dass es eine weitere Technologie zur Marktreife gebracht habe, um das Geschlecht von Hühner-Embryonen deutlich vor dem Schlüpfen zu bestimmen. Daher auch der Name In Ovo, Latein für: im Ei.

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Von Thomas Fromm

Die Firma wurde 2013 vom Biologen Wouter Bruins, 36, und dem Biomediziner Will Stutterheim, 38, gegründet. Die beiden Wissenschaftler hatten sich an der niederländischen Universität Leiden kennengelernt. Ihre Technik beruht darauf, ein winziges Loch in Brut-Eier zu stechen. Nach der Untersuchung auf einen patentierten Biomarker hin wird das Loch wieder versiegelt. Angesichts der millionenfachen Aufzucht wäre es jedoch freilich viel zu aufwändig, jede einzelne Probe ins Labor zu schicken.

Daher hat das Start-up mit derzeit 19 Beschäftigten an seinem Tempo gearbeitet: Im Dezember 2020 hat eine niederländische Brüterei - zunächst testweise - eine erste Maschine von In Ovo in Betrieb genommen, die mehr als tausend Eier pro Stunde untersucht. Dieser Test sei gelungen, teilen die Partner mit. In Ovo zielt nun auf Absatzmärkte wie Deutschland oder die Niederlande.

Aus diesem Anlass stockt auch der Chemiekonzern Evonik seine Beteiligung auf. Die Wagniskapital-Einheit des Essener Unternehmens hatte 2018 erstmals in In Ovo investiert und hält seither eine Minderheitsbeteiligung. Nun schießt Evonik gemeinsam mit dem Investor Visvires New Protein aus Singapur mehrere Millionen Euro nach.

Die Technologie von In Ovo hat jedoch zwei Schattenseiten. Zum einen kann sie das Geschlecht erst bestimmen, wenn ein Ei etwa neun Tage lang ausgebrütet wurde. 21 Tage dauert es insgesamt, bis ein Küken schlüpft. Die Forschung schließt bislang nicht aus, dass ein Hühnerembryo am neunten Brut-Tag schon Schmerzen empfinden kann. Daher sieht der Bund in seinem Gesetz vor, dass das Geschlecht von 2024 an spätestens am sechsten Brut-Tag untersucht werden muss. In-Ovo-Gründer Bruins hofft, dass seine Entwicklung rechtzeitig voranschreiten könnte: "Wir verbessern kontinuierlich unsere Technologie bei Schnelligkeit, Genauigkeit und dem Tag, an dem wir testen können."

Zum anderen dürfen Eier, die bereits tagelang ausgebrütet wurden und männliche Embryonen enthalten, nicht mehr in den Handel gelangen. Stattdessen dienen sie etwa als Protein-Quelle in Tierfutter.

Verbraucher können Alternativen zur Selektion männlicher Küken durchaus erkennen

Das Bundeslandwirtschaftsministerium fördert seit Jahren Initiativen, die das Kükentöten überflüssig machen sollen. Dem Ministerium und der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen zufolge sind seit Ende 2018 Eier im Handel erhältlich, die durch eine Geschlechtsbestimmung und ohne Kükentöten erzeugt wurden. Verbraucher erkennen derlei Ware an Begriffen wie etwa "Plantegg", "Seleggt" oder "Respeggt".

Neben jenen Technologien, die Brut-Eiern eine winzige Probe entnehmen, ruht die Hoffnung auf dem Ansatz, ein spezielles Licht durch Eier zu strahlen. Eine Analyse der Reflektion könnte das Geschlecht so bereits nach vier Brut-Tagen anzeigen. Laut dem Ministerium taugt diese Technik aber noch nicht für eine Nutzung im großen Maßstab.

Wer Eier kauft, muss die Selektion männlicher Küken freilich nicht hinnehmen. Manche Brütereien ziehen die sogenannten Bruderhähne mit auf. Dies ist zwar teurer, weil diese nicht dasselbe Fleisch bieten wie Masthähnchen; auch brauchen sie mehr Futter und eine längere Aufzucht. Im Gegenzug verkaufen entsprechende Initiativen die Eier der Schwesterhennen einige Cent teurer. Händler kennzeichnen derlei Produkte mit Begriffen wie "Bruderhahn", "Spitz & Bube" oder "Henne & Hahn".

Darüber hinaus hat der Bund die Züchtung sogenannter Zweinutzungsrassen gefördert. Allerdings legen die Hennen solcher Rassen bislang deutlich weniger Eier und die Hähne setzen weniger Fleisch an als die jeweiligen Hochleistungsrassen. Die Rückbesinnung auf diese uralte Form der Geflügelzucht ist daher bislang kaum wirtschaftlich.